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König Alfons der Zehnte.

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Alfons X. wurde im Jahre 1221 geboren, und folgte 1251 seinem Vater, Ferdinand III. (dem Heiligen) in der Regierung. Die Spanier nennen ihn den Weisen (el Sabio) eigentlich gebührt ihm aber der Name des Gelehrten. Seine Regierung, deren Geschichte nicht hieher gehört, war bekanntlich eine zum Theil sehr unweise, wodurch er die traurigen Schicksale seiner letzten Lebensjahre (er starb 1284) selbst verschuldete. Um die Cultur seines Volkes aber und die Pflege der Wissenschaften in seinem Reiche hat er sich unsterbliche Verdienste erworben.

Alfons war ein hochgebildeter, in vielen Beziehungen über seinem Zeitalter hervorragender Mann, der nicht nur die schönen, sondern auch die exacten Wissenschaften, für welche letzteren jetzt, Dank der arabischen Anregung, das Interesse in Spanien lebendig zu werden anfing, liebte und eifrig trieb. Er war auch Dichter und nimmt als solcher in der spanischen Litteratur zwar keine bedeutende, wohl aber eine bemerkenswerthe Stellung ein, deren an seinem Orte noch gedacht werden wird. Seine Lieblingswissenschaft aber war die Astronomie, um welche er sich besonders durch die nach ihm tabulae Alphonsinae genannten astronomischen Tafeln, welche er seit 1240 durch eine Anzahl sternkundiger Männer, meistens Juden und Araber, ausarbeiten liess, nicht allein für seine Zeit, sondern für folgende Jahrhunderte verdient machte. Eine seiner ersten Regierungshandlungen war der Erlass eines Decrets, wodurch er der Universität Salamanca ausgedehnte Privilegien bewilligte und dieselbe mit mehreren neuen Lehrstühlen bereicherte. Diesem Decrete folgte nach einiger Zeit ein anderes, welches in der Geschichte der spanischen Litteratur Epoche macht. Es enthielt nämlich die Bestimmung, dass fortan in allen öffentlichen Documenten die castilianische Sprache anstatt der lateinischen ge

braucht werden sollte. So war denn dieselbe feierlich aus der untergeordneten Sphäre eines blossen Volksidioms zum Range einer Schriftsprache erhoben.

Aber nicht nur durch diese Bestimmung, sondern ganz besonders durch die trefflichen Muster für den schriftlichen Gebrauch des Castilianischen, die er theils abfassen liess, theils selbst abfasste, hat sich König Alfons den Namen eines Vaters der spanischen Prosa verdient, und namentlich zeigt gerade das, was aus der Feder des königlichen Schriftstellers selbst geflossen ist, wie gross seine Mittel und sein Beruf dazu waren.

Das erste Werk, an dessen Abfassung Alfons, muthmasslich wenigstens, einen bedeutenden Antheil hatte, war die Uebersetzung des westgothischen Gesetzbuches in das Castilianische, welche Ferdinand III. im Jahre 1241 zum Gebrauche der Einwohner des kürzlich den Arabern abgenommenen Gebiets besorgen liess und welche den Titel Fuero Juzgo (forum judicum) führt. Dieses Gesetzbuch besteht aus zwölf Büchern, die wieder in Titel und Paragraphen zerfallen, ist sehr ausführlich und zeigt die Sprache zwar mit halb lateinischen Formen gemischt, aber doch schon in ziemlich entwickeltem Zustande. Ferdinand wünschte auch der Gesammtheit seiner christlichen Unterthanen ein allgemein gültiges Gesetzbuch zu geben, starb jedoch schon, als diese Arbeit, welche den Titel Setenario (der Siebner) führen sollte, eben erst begonnen hatte. Das von demselben noch vorhandene Bruchstück (ein Theil der ersten Abtheilung) wird gleichfalls für Alfons' Werk gehalten. Nach seinem Regierungsantritte gab dieser den Gedanken an eine Vollendung des Setenario auf, kam indessen, nach einigen kleineren Versuchen, Einheit in die spanische Gesetzgebung zu bringen (durch den Espejo de todos los derechos in 5 Büchern und den Fuero Real in 4 Büchern) wieder auf den Plan seines Vaters zurück und ging im Jahre 1256 mit Hülfe verschiedener rechtskundiger Männer an die Ausführung. Die Arbeit dauerte neun Jahre, und ihre Frucht war das berühmte Gesetzbuch, welches anfangs gleichfalls El Setenario hiess, später aber den Namen Las Siete Partidas erhielt, der ihm auch seitdem geblieben ist; eins der bedeutendsten Denkmäler der. Gesetzgebung und noch heutiges Tages die Hauptgrundlage des spanischen Rechtes, in der Geschichte der spanischen Litteratur aber von ganz besonderer Wichtigkeit als das erste klassische Muster spanischer Prosa. Die Siete Partidas bestehen, wie schon ihr Titel sagt, sieben Abtheilungen, deren jede wieder in Titel und einzelne

aus

Leyes zerfällt, und zeigen, verglichen mit dem kaum zwei Decennien älteren Fuero Juzgo einen Fortschritt der Sprache, der kaum glaublich sein würde, wenn wir nicht wenigstens einen Theil davon der genialen Behandlungsweise des Bearbeiters zuschreiben müssten. Denn es ist ausser Zweifel, dass die stylistische Ausführung zum grossen Theil von Alfons selbst herrührt. Trotz ihrer ganz systematischen Eintheilung machen die Partidas durch die Ausführlichkeit der einzelnen Bestimmungen und die Breite ihrer Räsonnements mehr den Eindruck einer Sammlung von Abhandlungen, als den eines concisen Gesetzbuches. Aber gerade dieser Umstand giebt ihnen als Denkmal castilianischer Prosa einen um so grösseren Werth, und macht sie ausserdem zu einem wahren Schatze für die spanische Sittengeschichte des Mittelalters. Ihre vollständige Einführung als Landesgesetz gelang übrigens erst beinahe hundert Jahre später (1348) unter der Regierung König Alfons XI, weil sich viele Communen mit ihren fueros derselben eifrig widersetzten. Die Siete Partidas sind zuerst gedruckt in Sevilla 1491. fol. Von den späteren Ausgaben sind zu bemerken die von Madrid 1610. 7 Bde. fol., mit einem gelehrten lateinischen Commentar von Gregorio Lopez, die von Madrid 1789. 4 Bde. fol. und endlich die von der spanischen Academie besorgte kritische u. d. T.: Las Siete Partidas, cotejadas con varios codices antiguos. Madr. 1807. 3 Vol. 4. Alfons' kleinere Arbeiten im Fache der Gesetzge bung sind gesammelt u. d. T.: Opúsculos legales del Rey Alfonso el Sabio, publ. por la real Academ. de la Historia Madr. 1836. 2 Vol. fol. erschienen.

Das zweite Werk, wodurch König Alfons Schöpfer der spanischen Prosa wurde, macht ihn zugleich zum Vater der spanischen Geschichtschreibung. Um, wie er selbst sagt, das Andenken an die Thaten der Vorfahren bei der Nachwelt zu erhalten, liess er alle Quellen der spanischen Geschichte, welche aufzutreiben waren, sammeln, und fasste nach denselben eine Geschichte Spaniens von den ältesten Zeiten bis auf den Tod seines Vaters ab. Sie führt den Titel Crónica general de España und besteht aus vier Büchern. Das erste enthält die älteste Geschichte Spaniens bis auf den Einfall der Westgothen, das zweite die des Westgothenreiches selbst, das dritte die der christlichen Staaten Spaniens, namentlich Castiliens, zur Zeit der Herrschaft der Araber bis zum Anfange des 11. Jahrhunderts und das vierte endlich die Begebenheiten bis zum Jahre 1252. Obgleich Alfons in der Vorrede ausdrücklich er

klärt, dass er diese Chronik selbst geschrieben habe *), hat man ihm doch später dieses Verdienst bestreiten wollen. Einige haben in Folge eines Missverständnisses der eigenen Worte des Königs behauptet, die Crónica general sei nur auf seinen Befehl, aber von verschiedenen Verfassern zusammengestellt. Andere, und darunter der erste Herausgeber der Chronik, der Geschichtschreiber Florian de Ocampo, wollen ihn nur als Verfasser der drei ersten Abtheilungen gelten lassen. Aber nicht nur des Königs eigene Behauptung, sondern auch das Zeugniss von Männern, welche seiner Zeit noch nahe standen, namentlich seines Neffen, des Infanten Don Juan Manuel, der eine versifizirte Abkürzung der Crónica general schrieb und letztere ausdrücklich für ein Werk seines Oheims erklärte, endlich Ton und Darstellungsweise derjenigen Abschnitte, welche sich auf seine nächsten Angehörigen beziehen Alles dies zusammengenommen lässt keinen Zweifel übrig, dass König Alfons der alleinige Verfasser der Crónica general, und zwar in ihrem ganzen Umfange ist. Zu dieser Ansicht bekennt sich denn auch die neueste Kritik nach dem Vorgange des gelehrten und scharfsinnigen Dozy in seinen Recherches sur l'histoire politique et littéraire de l'Espagne pendant le moyen âge. Leyde 1849. Tom. I. p. 383 ff.

Die Zeit, wann die Crónica general geschrieben wurde, lässt sich mit Sicherheit nicht bestimmen; doch vermuthet Ticknor (Gesch. d. schönen Litteratur in Spanien. Band I. S. 132. der deutschen Uebers.) dass ihre Abfassung in die ersten Regierungsjahre des gelehrten Königs fällt. Die Quellen, aus denen er schöpfte und von welchen er in der Vorrede nur einige namentlich anführt, waren der allerverschiedensten Art; für die beiden ersten Bücher natürlich die Geschichtschreiber des Alterthums und die westgothischen Chronisten, jedoch mit steter Berücksichtigung der im Volke gangbaren Sagen und seiner Auffassung der Vorzeit, zwei Momente, die selbst in diesen beiden, im Allgemeinen am wenigsten interessanten Abschnitten hie und da auffallend hervortreten. Der anziehendste und unstreitig werthvollste Theil der Chronik ist aber das dritte Buch, welches die Urgeschichte der kleinen christlichen Staaten der Halbinsel, namentlich Castiliens, und ihre Kämpfe gegen die Araber behandelt und den ganzen

*) Die hierauf bezügliche Stelle der Vorrede lautet wörtlich: E porende nos, Don Alfonso, por la gracia de Dios rey de Castilla etc. mandamos ayuntar quantos libros podimos de istorias en que alguna cosa contasse de los fechos de España ........ e compusimos este libro de todos los fechos que follar se pudieron della. etc. etc.

etc.

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Schatz der altspanischen Sagengeschichte für die Nachwelt aufbewahrt hat. Bei der Bearbeitung dieses Theiles dienten Alfons gewiss eine grosse Anzahl von Quellen zur Grundlage, von denen die meisten jetzt verloren sind, christliche und arabische Chronisten, Volkssagen und Legenden, vor Allem aber die alten Volksgesänge und Romanzen, auf welche letztere sich die Chronik vorzugsweise häufig beruft, und von denen gleichfalls nur ein kleiner Theil auf unsere Zeiten gekommen ist. So bilden dieses dritte und noch ein Theil des vierten Buches der Crónica general, bis zu den Zeiten wo das Dunkel der Geschichte sich zu lichten anfängt, die beinahe einzige Fundgrube der spanischen Heldensage, und sind deshalb als ein wahrer Schatz zu betrachten, dessen Ausbeutung für die Geschichte bis jetzt verschmäht zu haben der modernen Geschichtschreibung zum grössten Vorwurfe gereicht.

Abgesehen von diesem hohen Interesse ihres Inhalts, macht aber auch die grosse Mannigfaltigkeit der Quellen, aus denen sie geflossen und die ein wahres Spiegelbild des bunten und wechselvollen spanischen Lebens im Mittelalter und der verschiedenen auf dem Boden der Halbinsel sich bekämpfenden Interessen ist, die Lectüre der Crónica general zu einer höchst anziehenden, und wenn sie auch genau betrachtet in Beziehung auf Sorgfalt des Styls den Siete Partidas nicht durchgängig gleich kommt, so theilt sie doch mit diesen den Ruhm, jene malerische, lebens- und charactervolle Prosa geschaffen zu haben, welche ein so getreuer Ausdruck des spanischen Nationalgeistes ist. Die Crónica general ist nur zwei Mal gedruckt worden. Die erste Ausgabe besorgte der Geschichtschreiber Florian de Ocampo in Zamora 1541. fol. und diese wurde zu Valladolid 1604. fol. wieder abgedruckt. Beide, namentlich aber die letztere, sind durch Druckfehler und Auslassungen sehr entstellt, und eine neue, kritische, nach Handschriften berichtigte Ausgabe dieses kostbaren Schatzes der spanischen Litteratur zu veranstalten, würde ein hoch verdienstliches Unternehmen sein.

Noch ein drittes Prosawerk bleibt uns unter diesem Artikel zu erwähnen, weil es gewöhnlich unter den Werken des Königs Alfons mit aufgeführt wird, obgleich es nur auf seine Veranlassung, aber ohne seine Mitwirkung abgefasst wurde. Es heisst La gran conquista de Ultramar, und soll eigentlich eine Geschichte der Kreuzzüge sein, die mit dem Leben Muhameds beginnt und bis zum Jahre 1270 geht. Der Haupttheil ist übrigens nicht Original, sondern nur eine Uebersetzung der Historia rerum in partibus transmarinis gestarum

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