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des Arabischen beschränkte sich jedoch auf eine allerdings sehr bedeutende Bereicherung des castilianischen Wörterschatzes durch eine grosse Anzahl arabischer Wörter, welche dem romanischen Idiom assimilirt wurden. Dieser Vorgang erscheint als ein durchaus naturgemässer, wenn wir bedenken, wie viele neue Begriffe mit der Besetzung des bisher arabischen Landestheils sich den Castilianern darboten, wofür ihnen theils die Bezeichnungen ganz fehlten, theils als unvollkommen oder unbestimmt befunden und deshalb im gewöhnlichen Verkehr durch die den Mozarabern seit Jahrhunderten geläufigen leicht verdrängt werden mussten. Eben so natürlich war es indessen, dass die arabische Einwirkung auf das Castilianische hierbei stehen blieb. Eine Veränderung des grammatischen Baues, der Formwandlung oder Satzbildung des Romanischen durch das Arabische war bei der grossen Verschiedenheit beider Sprachen unmöglich und pflegt überhaupt auch nur da einzutreten, wo eine Verschmelzung zweier Völker Statt findet; ein Beweis mehr für das, was wir oben von der Art und Weise des arabischen Einflusses auf die spanische Nationalität gesagt haben. Das Castilianische ist daher seinem ganzen inneren Wesen nach eine ächte Tochter der lateinischen Mutter geblieben. Ihre Ausbildung war in der Hauptsache bereits im ersten Jahrzehend des 13. Jahrhunderts vollendet, und ihre Herrschaft erstreckte sich so weit, wie die des Volksstammes, welchem sie angehörte, d. h. von der Nordküste Spaniens durch ganz Mittelspanien bis an die Gränzen der damals noch bestehenden kleinen arabischen Gebiete.

In der nordwestlichen Ecke der Halbinsel, in der zum Königreich Leon gehörenden Grafschaft Galicien, hatte sich ein eigener Dialekt gebildet, dessen Anfänge unzweifelhaft bis in die Zeiten vor der arabischen Herrschaft hinaufreichen. Jene Gegend war zur Westgothenzeit der Hauptsitz des suevischen Stammes gewesen, und es ist wohl keine zu kühne Hypothese, wenn man dem Einflusse dieses Elementes die Enstehung der galicis chen Mundart zuschreibt. Mit den Eroberungen breitete sich auch diese nach Süden aus und wurde so die Mutter des heutigen Portugiesischen.

Den östlichen Theil der Halbinsel nahm das Königreich Aragonien ein. Seinen Kern bildeten die Eroberungen, welche Karl der Grosse gemacht hatte und unter dem Namen der spanischen Mark von eigenen Grafen verwalten liess, die sich unter seinen schwachen Nachfolgern bald unabhängig machten. Hier war von Anfang an der fränkische Volks

stamm überwiegend gewesen und hatte den Sitten sowohl wie der Sprache sein Gepräge aufgedrückt. Die Sprache des Landes, das Catalanische, war gewissermassen nur ein Dialekt des Provençalischen und wurde ganz in die Bildung des letzteren hineingezogen, als im Anfange des 12. Jahr- hunderts die Krone der Provençe auf die Grafen von Barcelona überging und diese im Jahre 1137 auch das Königreich Aragonien erwarben.

So bestanden in Spanien drei Hauptdialekte, und es war eine Zeitlang zweifelhaft, welcher von den dreien das Organ nationaler Gedanken und Gefühle werden sollte. Am Hofe der aragonischen Könige blühete provençalische Poesie und hielt das Aufkommen nationaler Gestaltungen danieder. Das Galicische ging mit der Entstehung des Königreichs Portugal in ein von Spanien politisch getrenntes Land über. Die castilianische Litteratur aber entwickelte sich, wenn auch etwas später als jene, so doch von Anfang an in so durchaus volksthümlicher, nationaler Weise, dass sie beide Nebenbuhlerinnen bald in den Hintergrund drängte. Dass sie der echte und wahre Ausdruck des Nationalgefühls war, wurde sehr bald offenbar und durch die ganze Halbinsel empfunden, und mit Stolz hört jeder unbefangene Spanier noch heut nicht nur seine Sprache sondern auch seine Litteratur die castilianische nennen.

Die Litteratur beginnt in Spanien, wie überall, mit der Poesie, und wir werden im zweiten Theile dieses Handbuches schen, wie weit die Anfänge derselben hinaufreichen. Im gegenwärtigen Bande, welcher nur der Prosa gewidmet ist, haben wir mit der Zeit zu beginnen, wo die Sprache zuerst als Schriftsprache erscheint.

Das älteste schriftliche Denkmal der castilianischen Sprache, welches sich überhaupt bis jetzt hat auffinden lassen, ist der Freibrief (fuero) der Stadt Oviedo vom Jahre 1145. Vor diesem erst in den letzten Jahren entdeckten Documente galt für das älteste eine Urkunde, welche die Bestätigung der Privilegien der Stadt Aviles in Asturien durch König Alfons VII. enthält und vom Jahre 1155 datirt ist. Diese letztere, welche vollständig in der Revista de Madrid, 2 Epoca, VII, 267—322 gedruckt ist, zeigt die castilianische Sprache noch ganz befangen in lateinischen oder halb lateinischen Formen, dagegen aber ganz frei von arabischer Zuthat, so dass wir aus diesem Do

cumente den besten Schluss auf die Gestalt der Sprache vor der Mischung mit der arabischen machen können. Der Gebrauch des Castilianischen in ähnlichen öffentlichen Urkunden wird von dieser Zeit an zwar häufiger, dennoch aber verflossen noch volle hundert Jahre, ehe die Sprache so weit vervollkommnet war, um für die künstlerische Prosa brauchbar zu sein. Das Verdienst dies zuerst erkannt und dem Gebrauche die Bahn gebrochen zu haben, gebührt dem Manne, von welchem der folgende Artikel handelt.

König Alfons der Zehnte.

Alfons X. wurde im Jahre 1221 geboren, und folgte 1251 seinem Vater, Ferdinand III. (dem Heiligen) in der Regierung. Die Spanier nennen ihn den Weisen (el Sabio) eigentlich gebührt ihm aber der Name des Gelehrten. Seine Regierung, deren Geschichte nicht hieher gehört, war. bekanntlich eine zum Theil sehr unweise, wodurch er die traurigen Schicksale seiner letzten Lebensjahre (er starb 1284) selbst verschuldete. Um die Cultur seines Volkes aber und die Pflege der Wissenschaften in seinem Reiche hat er sich unsterbliche Verdienste erworben.

Alfons war ein hochgebildeter, in vielen Beziehungen über seinem Zeitalter hervorragender Mann, der nicht nur die schönen, sondern auch die exacten Wissenschaften, für welche letzteren jetzt, Dank der arabischen Anregung, das Interesse in Spanien lebendig zu werden anfing, liebte und eifrig trieb. Er war auch Dichter und nimmt als solcher in der spanischen Litteratur zwar keine bedeutende, wohl aber eine bemerkenswerthe Stellung ein, deren an seinem Orte noch gedacht werden wird. Seine Lieblingswissenschaft aber war die Astronomie, um welche er sich besonders durch die nach ihm tabulae Alphonsinae genannten astronomischen Tafeln, welche er seit 1240 durch eine Anzahl sternkundiger Männer, meistens Juden und Araber, ausarbeiten liess, nicht allein für seine Zeit, sondern für folgende Jahrhunderte verdient machte. Eine seiner ersten Regierungshandlungen war der Erlass eines Decrets, wodurch er der Universität Salamanca ausgedehnte Privilegien bewilligte und dieselbe mit mehreren neuen Lehrstühlen bereicherte. Diesem Decrete folgte nach einiger Zeit ein anderes, welches in der Geschichte der spanischen Litteratur Epoche macht. Es enthielt nämlich die Bestimmung, dass fortan in allen öffentlichen Documenten die castilianische Sprache anstatt der lateinischen ge

braucht werden sollte. So war denn dieselbe feierlich aus der untergeordneten Sphäre eines blossen Volksidioms zum Range einer Schriftsprache erhoben.

Aber nicht nur durch diese Bestimmung, sondern ganz besonders durch die trefflichen Muster für den schriftlichen Gebrauch des Castilianischen, die er theils abfassen liess, theils selbst abfasste, hat sich König Alfons den Namen eines Vaters der spanischen Prosa verdient, und namentlich zeigt gerade das, was aus der Feder des königlichen Schriftstellers selbst geflossen ist, wie gross seine Mittel und sein Beruf dazu waren.

Das erste Werk, an dessen Abfassung Alfons, muthmasslich wenigstens, einen bedeutenden Antheil hatte, war die Uebersetzung des westgothischen Gesetzbuches in das Castilianische, welche Ferdinand III. im Jahre 1241 zum Gebrauche der Einwohner des kürzlich den Arabern abgenommenen Gebiets besorgen liess und welche den Titel Fuero Juzgo (forum judicum) führt. Dieses Gesetzbuch besteht aus zwölf Büchern, die wieder in Titel und Paragraphen zerfallen, ist sehr ausführlich und zeigt die Sprache zwar mit halb lateinischen Formen gemischt, aber doch schon in ziemlich entwickeltem Zustande. Ferdinand wünschte auch der Gesammtheit seiner christlichen Unterthanen ein allgemein gültiges Gesetzbuch zu geben, starb jedoch schon, als diese Arbeit, welche den Titel Setenario (der Siebner) führen sollte, eben erst begonnen hatte. Das von demselben noch vorhandene Bruchstück (ein Theil der ersten Abtheilung) wird gleichfalls für Alfons' Werk gehalten. Nach seinem Regierungsantritte gab dieser den Gedanken an eine Vollendung des Setenario auf, kam indessen, nach einigen kleineren Versuchen, Einheit in die spanische Gesetzgebung zu bringen (durch den Espejo de todos los derechos in 5 Büchern und den Fuero Real in 4 Büchern) wieder auf den Plan seines Vaters zurück und ging im Jahre 1256 mit Hülfe verschiedener rechtskundiger Männer an die Ausführung. Die Arbeit dauerte neun Jahre, und ihre Frucht war das berühmte Gesetzbuch, welches anfangs gleichfalls El Setenari o hiess, später aber den Namen Las Siete Partidas erhielt, der ihm auch seitdem geblieben ist; eins der bedeutendsten Denkmäler der Gesetzgebung und noch heutiges Tages die Hauptgrundlage des spanischen Rechtes, in der Geschichte der spanischen Litteratur aber von ganz besonderer Wichtigkeit als das erste klassische Muster spanischer Prosa. Die Siete Partidas bestehen, wie schon ihr Titel sagt, aus sieben Abtheilungen, deren jede wieder in Titel und einzelne

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