Pagina-afbeeldingen
PDF
ePub

Quevedo.

Don Francisco Gomez de Quevedo y Villegas, ein sowohl durch seine Vielseitigkeit und Fruchtbarkeit, wie durch den eigenthümlichen Character seiner geistvollen Werke höchst merkwürdiger Schriftsteller, dessen Stellung in der Geschichte der spanischen Litteratur jedoch erst durch eine allseitigere Betrachtung seiner Schriften, als bisher möglich gewesen ist, wird bestimmt werden können, wurde gegen Ende Septembers 1580 zu Madrid als Sohn des Don Gomez de Quevedo und der Doña Maria de Santibañez geboren. Da er früh seinen Vater verlor, leitete seine Mutter, welche Hofdame der Infantin Clara Eugenia war, seine Erziehung, wie es scheint in einer Weise, welche zwar sehr wohl gemeint aber dem überaus lebendigen und phantasiereichen Geiste des Knaben nicht ganz angemessen war. Aber auch die Mutter starb bald, und der junge Quevedo blieb der Sorge seines Vormundes, des Protonotars von Arragonien Augustin de Villanueva überlassen, dessen Erziehung der freien Entwicklung seines Geistes und Characters weniger Fesseln anlegte. Von der zartesten Jugend an von einem bewundernswürdigen Wissensdrange erfüllt, lernte der Knabe mit grosser Leichtigkeit Latein und Griechisch, und bezog früh die Universität Acalá, wo er zu allgemeinem Erstaunen be

reits in seinem 15. Jahre sich einen academischen Grad in der Theologie erwarb. Ausserdem aber machte er vortreffliche Studien im bürgerlichen und canonischen Rechte, in der Mathematik, Astronomie und in den Naturwissenschaften. Seinen Sitten war jedoch das Leben auf den Hochschulen nicht zuträglich, und ein nicht gut gewählter Umgang entwickelte in dem lebhaften Charakter des Jünglings schon früh heftige Leidenschaften und einen ungestümen Drang nach sinnlichen Genüssen. Schon damals zogen ihm Liebeshändel, zum Theil anstössiger Natur, vielfache Händel, ja selbst blutige Streitig

keiten zu. Kaum drei und zwanzig Jahr alt, hatte er sich durch seine Gelehrsamkeit, besonders in den klassischen Studien, bereits einen gewissen Ruf erworben, und stand unter anderen mit dem bekannten Justus Lipsius in gelehrtem Briefwechsel. In der Dichtkunst hatte er sich sehr früh versucht, und poetische Erzeugnisse von ihm erschienen schon in der Sammlung des Pedro de Espinosa (Flores de poetas ilustres españoles. Valladolid 1605. 4.) im Druck. Im Jahre 1601 folgte Quevedo, wie es scheint ohne eine bestimmte Beschäftigung, dem Hofe nach Valladolid, und kehrte erst 1606 mit demselben nach Madrid zurück. Spanien seufzte damals unter dem Druck jener unerträglichen Missregierung, deren Seele der berüchtigte Herzog von Lerma war. In seinem

vielfachen Verkehre mit Leuten, welche dem Hofe nahe standen, hatte Quevedo Gelegenheit, die Regionen, von denen das Unglück des Landes ausging, näher kennen zu lernen. Dies und andererseits der Umgang mit Männern, die sich freimüthig zu Organen des allgemeinen Missvergnügens machten und zu welchen besonders der kühne und ehrwürdige Pater Mariana gehörte, lenkten Quevedo's Aufmerksamkeit auf die politischen Angelegenheiten. In diese Zeit fallen die ersten seiner berühmten satyrischen Sueños y discursos, in welchen er in der Manier des Lucian die Thorheiten der Zeit und namentlich die Gebrechen der Verwaltung geisselte. Auch sein berühmter Schelmenroman: La vida del gran tacaño, einer der geistreichsten dieser ganzen Dichtungsart, wurde wahrscheinlich um diese Zeit geschrieben. Um das Jahr 1609 fällt Quevedo's Bekanntschaft mit dem berühmten Krieger Don Pedro Tellez Giron, Herzog von Ossuna, dem er seine Uebersetzungen des Anacreon und des Phocylides dedicirte. Ein verdriesslicher Vorfall riss ihn plötzlich aus seinen bisherigen Beschäftigungen heraus. Er wohnte am grünen Donnerstage d. 21. März 1611 der Abendmesse in der Kirche San Martin bei, als eine nicht weit von ihm knieende Dame, augenscheinlich von Stande, von einem Manne in ziemlich roher Weise angeredet wurde. Es erfolgte ein Wortwechsel zwischen Beiden, in Folge dessen jener Mensch ohne Rücksicht auf die Heiligkeit des Ortes der Dame eine Ohrfeige gab. Im gerechten Zorn über diese an heiliger Stelle gegen eine wehrlose Frau verübte Brutalität sprang Quevedo herzu, zerrte den Angreifer zur Kirche hinaus, zwang ihn den Degen zu ziehen, und rechtfertigte seinen schon bei früheren Gelegenheiten erworbenen Ruhm als tüchtiger Fechter auch dies Mal, indem er nach kurzem Kampfe seinen Gegner niederstiess,

der wenige Stunden darauf starb. Da der Getödtete ein Mann von Einfluss war und seine Familie sich anschickte seinen Tod zu rächen, so hielt Quevedo es für das Angemessenste, sein Heil in der Flucht zu suchen. Sein Freund, der Herzog von Ossuna, war seit Kurzem Vicekönig von Sicilien geworden. Zu diesem, welcher ihn schon früher dringend aber vergeblich eingeladen hatte, ihn zu begleiten, begab er sich jetzt, und wurde von ihm aufs freundlichste aufgenommen, auch zu verschiedenen schwierigen und sogar gefährlichen diplomatischen Missionen gebraucht. Etwa ein Jahr lang blieb Quevedo in Italien. Welche Verhältnisse ihm die Rückkehr in sein Vaterland möglich machten, wird uns nicht berichtet. Aber im April 1612 finden wir ihn wieder in Spanien, und zwar auf seinem Gute la Torre de Juan Abad, von wo aus er seinem Beschützer, dem Herzoge von Ossuna, seine satyrische Schrift: el mundo por dedentro, und dem Geschichtschreiber Tomas Tamayo de Vargas seine Abhandlung über Ursprung und Wesen der stoischen Philosophie, so wie seine Uebersetzung des Epiktet dedicirte. Eben so schrieb er daselbst eins seiner witzigsten Werke, die Cartas del caballero de la tenaza, welches zwar damals noch nicht gedruckt wurde, aber im Manuskript von Hand zu Hand ging und mit allgemeinem Entzücken gelesen wurde. Eine Zeitlang scheint eine ernste und religiöse Stimmung sich seiner bemächtigt zu haben, und viele seiner derartigen Schriften, namentlich seine Poesias morales y lágrimas de un penitente gehören dieser Zeit an. Bald aber zogen die politischen Angelegenheiten Europas wieder seine Aufmerksamkeit auf sich, und in den nächstfolgenden Jahren war er abermals diplomatischer Agent des Herzogs von Ossuna, als welcher er namentlich während der Wirren, welche Carl Emanuel von Savoyen in Italien erregte, mehrere nützliche Dienste leistete. Im J. 1615 schickte ihn Ossuna nach Madrid, um dem Könige Philipp III. die Acten des eben abgehaltenen sicilianischen Parlamentes zu überbringen. Quevedo machte die Reise mit allem äussern Glanze und allen Ehren eines wirklichen Gesandten. Bei der Durchreise durch Frankreich aber, welches damals für den Prinzen von Condé in Waffen stand, wurde er zu vier verschiedenen Malen verhaftet, jedoch immer nach wenigen Tagen wieder freigelassen. Als eine Probe von dem Geiste des damaligen spanischen Regiments dient der Umstand, dass Quevedo vom Vicekönige 30000 Ducaten in Wechseln mit bekommen hatte, um sie zu Bestechungen am Hofe von Madrid zu verwenden. Das Mittel wirkte vortrefflich. Durch Decret

vom 2. März 1616 wurde Ossuna zum Vicekönig von Neapel ernannt, und seinem Gesandten ein jährlicher Gehalt von 400 Ducaten bewilligt. Quevedo folgte nun seinem Beschützer an seinen neuen Bestimmungsort, und wurde dessen rechte Hand bei allen wichtigen Angelegenheiten. In seinem Auftrage machte er verschiedene Reisen, auf welchen unter damaligen Umständen nicht selten sein Leben in Gefahr war. Auch wurde er 1617 von ihm abermals nach Madrid gesandt, bei welcher Gelegenheit Philpp III. ihn zum Ritter des Ordens von San Jago ernannte. Der eigentliche Grund dieser Reise aber war das Verhältniss zu Venedig, welches, schon lange den Spaniern ein Dorn im Auge, sich erst neuerlich mit Carl Emanuel gegen Philipp III. verbündet hatte. Gewiss ist, dass Quevedo gerade über diese Verhältnisse mit dem Könige eine geheime Unterredung hatte, welche ganz besondere Vergünstigung den ganzen Hof in Erstaunen setzte, deren Inhalt aber nie bekannt geworden ist. Die Hauptintriguen gegen die Republik wurden eben von Ossuna, dem Marquis von Bedmar, spanischem Gesandten in Venedig und dem Marquis von Villafranca, Gouverneur von Mailand geleitet, zwischen welchen Quevedo den geheimen Agenten spielte. Er befand sich auch gerade in einem Auftrage seines Herrn an den Marquis von Bedmar in Venedig, als im May 1618 jene berüchtigte Verschwörung der Spanier gegen die Republik entdeckt wurde, deren nähere Umstände bis auf den heutigen Tag ein historisches Räthsel geblieben sind. Dass zahlreiche angebliche Theilnehmer dieser Verschwörung ein Opfer der Rache oder der schlauen Politik der venezianischen Regierung wurden, ist bekannt. Quevedo, der ganz besonders gravirt erschien, entkam wie durch ein Wunder, in Bettlerkleidung und indem er sehr geschickt den italienischen Accent nachahmte, aus der Stadt und nach Neapel. Die Venezianer mussten sich begnügen, ihn in einer bittern Schmähschrift persönlich anzugreifen. Von italienischer Seite wurde nun Alles angewandt, den Herzog von Ossuna zu stürzen, indem man ihn bei seinem Monarchen oder vielmehr bei denen, welche für diesen regierten, zu verdächtigen suchte. So sehr die theils gerechten theils ungerechten Klagen sich häuften, so nahm doch der Herzog von Lerma nur wenig Notiz davon. Als dieser jedoch im Jahre 1620 seine bisherige Macht seinem Sohne, dem Herzoge von Uceda abtreten musste, nahmen die Dinge eine andere Gestalt an. Uceda war geneigter, den Anschuldigungen gegen den Vicekönig, zu welchen sich auch mannigfache gegen dessen Secretär und Agenten, Quevedo, gesellten, sein Ohr

zu

Span. Handb. I.

34

leihen. Dem Vicekönige wurde angedeutet, seinen Secretär, der sich gerade damals wieder in Aufträgen seines Herrn in Madrid befand, zu entlassen. Als daher Quevedo nach Neapel zurückkam, wurde er vom Herzoge zwar anscheinend freundlich empfangen, aber es entging ihm doch nicht, dass auch bei diesem die Verläumdung Zugang gefunden hatte. Er beschloss deshalb, den schlüpfrigen Boden des politischen Lebens zu verlassen, und bat um seinen Abschied. Kaum hatte er denselben erhalten, als auch der Herzog von seinem Amte in Neapel abberufen wurde, und beide kehrten nach Madrid zurück im October 1620. Der Anklagen gegen Ossuna waren so viele, dass man wenigstens etwas thun zu müssen glaubte um dem öffentlichen Gerechtigkeitsgefühl Genüge zu leisten. Man hielt sich daher an den Secretär. Quevedo

wurde wenige Monate nach seiner Ankunft in Madrid auf die Anschuldigung, dem Herzoge schlechten Rath ertheilt zu haben, verhaftet und anfangs nach Ucles, von dort aber nach la Torre de Juan Abad gebracht und dort streng bewacht. Die ernsten Wissenschaften und die heitern Musen verkürzten ihm dort die Zeit und trösteten ihn in seiner Einsamkeit, und viele seiner besten Werke fallen in diese Periode seiner Gefangenschaft. Der Tod Philipps III. (31. März 1621) änderte nichts an seiner Lage. Vielmehr wurde jetzt auch dem Herzoge von Ossuna selbst der Process gemacht, und Quevedo blieb in Haft, wodurch seine Gesundheit so bedenklich litt, dass er einmal dem Tode nahe war. Als sich endlich herausstellte, dass ihm keine strafbaren Handlungen nachzuweisen waren, erhielt er nach drittehalbjähriger Haft seine Freiheit wieder, anfangs unter der Verwarnung, sich nicht wieder in der Hauptstadt blicken zu lassen, eine Beschränkung, die jedoch im März 1623 gleichfalls aufgehoben wurde. Quevedo erschien nun wieder bei Hofe, ohne dass uns berichtet wird, in welcher Eigenschaft. Er nahm an den Festlichkeiten, welche bei Gelegenheit der Anwesenheit des Prinzen von Wales (nachmaligen Königs Karl I. von England) am spanischen Hofe Statt fanden, Antheil, und wirkte mit mehreren anderen gleichzeitigen Dichtern zu ihrer Verrherrlichung. Auch war er im Gefolge des Hofes, als Philipp IV. 1625 nach Arragonien reiste, und benutzte diese Gelegenheit um mehrere seiner Werke nämlich das politisch-moralische: La Política de Dios und die scherzhaften: La Vida del Buscon und Los Sueños zu Saragossa drucken zu lassen, welche seinen Ruhm ausserordentlich verbreiteten, aber auch von neuem den Hass aller derer gegen ihn heraurbeschworen, welche sich durch die Geissel seiner

« VorigeDoorgaan »