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Resultate deutscher Untersuchungen, als auf Autoritäten berufen. Diese reichen Hülfsmittel können aber begreiflicher Weise nur von demjenigen mit Vortheil benutzt werden, der schon eine wenigstens allgemeine Kenntniss des Gebietes mitbringt. Den desselben noch Unkundigen würde die Masse des Stoffes erdrücken, die Schwierigkeit, sich in dieselbe hineinzuarbeiten, würde ihm das Studium verleiden. Er bedarf zunächst eines Führers, welcher ihn mit den wichtigsten Erscheinungen der spanischen Litferatur, mit den Choryphäen derselben, bekannt macht, und ihm einen Begriff von dem allgemeinen Character dieser Litteratur giebt, damit er, gleichsam von den Gipfeln herab, einen Ueberblick über das ganze Gebiet, seine Höhen und seine Tiefen, gewinnen, und sich auf seiner späteren Wanderung durch dasselbe leicht und genau orientiren könne.

Indem ich mich zu der Ausarbeitung eines Buches entschloss, welches geeignet sein möchte, diesen Zweck einigermaassen zu erfüllen, erschien mir als die passendste Form für dasselbe diejenige, welche bereits mit Vortheil in Handbüchern für das Studium anderer Litteraturen angewandt worden ist, nämlich eine chronologisch geordnete Reihe von Musterstücken aus den Werken der vorzüglichsten spanischen Prosaiker und Dichter, mit kurzen Nachrichten über ihr Leben und ihre Werke, bibliographischen Notizen über die Ausgaben der letzteren, und kritischen Andeutungen über den Platz, welchen sie in der Geschichte ihrer Litteratur einnehmen.

Dass gerade ein so eingerichtetes Buch nichts Ueberflüssiges sein würde, lehrten mich mehrfach ausgesprochene Wünsche nach einem solchen. Denn das einzige, ganz nach diesem Plane gearbeitete Werk, welches wir besitzen, das „Handbuch der spanischen Sprache und Litteratur“ von -Fr. Buchholz (Berlin, 1801-4. 2 Bnde. 8.) ist, so verdienstlich es auch für seine Zeit war, jetzt, nach Verlauf eines halben Jahrhunderts, so gut wie unbrauchbar geworden. V. A. Hu→bers treffliches,,Spanisches Lesebuch" hat wohl nicht ganz die Bestimmung eines Handbuches, da ihm für den Zweck einer Vorschule zum Studium der Litteratur, eine meiner

Ansicht nach unentbehrliche Einrichtung fehlt, nämlich die durchgängige chronologische Anordnung. Unsere trefflichen poetischen Anthologien, Böhl von Fabers Floresta de rimas antiguas castellanas, und die in ihrer Einrichtung noch vorzüglichere Floresta de rimas modernas castellanas von F. Wolf,gehören, abgesehen davon, dass sie nur die eine Seite der Litteratur behandeln, wohl nicht in die Kategorie der hier in Rede stehenden Bücher, wenn gleich die letztere Sammlung für die Geschichte der neueren spanischen Dichtkunst allerdings zugleich das ausgezeichnetste Lehrbuch ist.

Das vorliegende Handbuch wird aus drei Bänden bestehen, deren erster der Prosa gewidmet ist. Der zweite wird die lyrische, didactische und epische Dichtkunst, der dritte das Drama enthalten. Ich weiss sehr wohl, was sich gegen eine solche Trennung einwenden lässt, dass die gegenwärtige wissenschaftliche Auffassung der Litteraturgeschichte sie mit Recht verwirft und dagegen die chronologische Anordnung aller litterarischen Erscheinungen nach den Entwickelungsepochen fordert. Für mich wäre dieser Weg, der mir manche unnütze Zeile erspart hätte, der bequemere und angenehmere gewesen. Ich habe aber dennoch Bedenken getragen, ihn einzuschlagen, weil ich der festen Ueberzeugung bin, dass der der Litteratur noch Unkundige, welcher erst die Haupterscheinungen derselben kennen lernen will, zu wenig vorbereitet ist, um sich ohne Mühe in die strengwissenschaftliche Anordnung finden zu können. Erst da, glaube ich, ist dieselbe ganz an ihrem Platze, wo eine allgemeine Kenntniss des Gebietes bereits vorausgesetzt werden kann.

Nachdem einmal der Entschluss gefasst war, die alte Eintheilung beizubehalten, ergab sich von selbst die Nothwendigkeit, bei der Auswahl der in diesen ersten Band aufzunehmenden Schriftsteller die Rücksicht auf den Werth ihrer Werke als Muster der Prosa vor anderen Gesichtspunkten hin und wieder vorwalten zu lassen. Aus diesem Grunde erscheint z. B. die Celestina im ersten Bande, die sonst vielleicht passender erst im dritten ihren Platz gefunden hätte. Aus derselben Rücksicht ist Zurita, den ich anfangs aufzunehmen beabsichtigte, weggeblieben, weil er, obgleich als

Geschichtschreiber höchst achtungswerth, doch als Stylist zu tief steht. Freilich durfte ich mich nur in einzelnen ausgezeichneten Fällen durch diese Rücksicht vorzugsweise bestimmen lassen; in anderen hat gerade die entgegengesetzte über die Aufnahme entschieden. So erschien mir z. B. Antonio de Guevara, ungeachtet der Vorzüge seiner Schreibart, nicht bedeutend genug, um in einem Handbuche einen besonderen Platz einzunehmen. Selbs Luis de Leon glaubte ch in diesem Bande füglich übergehen zu können, weil seine prosaischen Schriften bei allem stylistischen Werthe doch nur eine untergeordnete Wichtigkeit haben. Unter den neuesten Prosaikern musste natürlich eine strenge Auswahl getroffen werden. Miñana habe ich, wenn gleich mit Bedauern, weggelassen, weil er ohne eine sehr genaue Kenntniss der neueren politischen Geschichte Spaniens schwer verständlich ist, und eine solche wohl nur bei einem kleinen Theile der Leser dieses Handbuchs vorausgesetzt werden kann; aus ähnlichen Gründen auch Mesonero y Romanos, um so mehr als die Gattung der satyrischen Sittenschilderung durch den auch in anderer Beziehung wichtigeren Larra vertreten werden konnte. Die Publicistik bedurfte, glaube ich, keines anderen Repräsentanten als Donoso Cortés, der überdies gewiss der glänzendste Stylist unter den lebenden spanischen Schriftstellern ist.

Bei der Auswahl der Proben bin ich bemüht gewesen, so viel wie möglich etwas Zusammenhängendes zu geben, da abgerissene Stücke von einer oder anderthalb Seiten, meiner Ansicht nach, ihren Zweck ganz verfehlen. Diesem Bestreben mag man die Schuld beimessen, wenn man einige Schriftsteller in Bezug auf den ihnen gewidmeten Raum ungerechterweise bevorzugt finden sollte. Dies scheint z. B. bei Montemayor der Fall zu sein. Ich kenne aber in der ganzen Diana kein Stück, das aus dem Zusammenhange gerissen einigermaasen verständlich oder interessant wäre. Von Cervantes' Novellen habe ich leider nur eine der schwächsten geben können, weil der Raum mich nöthigte die kürzeste zu wählen.

Eine möglichst consequente Rechtschreibung zu befolgen, schien mir für ein Buch, wie das vorliegende, ein wesentliches Erforderniss. Wie schwer dies schon an und für sich

in einem Werke von einigem Umfange zu erreichen ist, weiss jeder Kenner; in diesem Falle wurde die Schwierigkeit durch meine weite Entfernung vom Druckorte noch vergrössert. Kein Unbefangener wird daher über etwa vokommende Inconsequenzen, wie muger und mujer, ligero und lijero, gefe und jefe und ähnliche, erstaunen. Hoffentlich sind dieselben weder so zahlreich noch von solchem Belange, dass sie störend werden könnten.

Für die biographisch - litterarischen Einleitungen sind die neuesten Forschungen gewissenhaft benutzt worden; jedoch nie ohne eigene, selbstständige Prüfung der Sache, wo eine solche mir irgend möglich war. Ich habe daher auch ein Buch wie das vorliegende nicht für den unrechten Ort gehalten, meine eigenen, von manchen herkömmlichen Ansichten vielleicht abweichenden Meinungen über das Eine oder das Andere offen auszusprechen. Denn wer dem Verfasser eines zur Einleitung in ein Studium bestimmten Werkes zumuthet, dass er nur wiedergeben soll, was Andere vor ihm gefunden haben, der muthet ihm eben eine blosse Compilation zu. Irre ich in meinen Ansichten, so können diese den Leser nicht irre führen, da derselbe stets die Hülfsmittel angegeben findet, aus welchen er sich bessere Auskunft holen kann. Aber nur auf die wirklich wissenschaftlichen Hülfsmittel habe ich verwiesen, und unter diesen natürlich vorzugsweise diejenigen berücksichtigt, welche dem deutschen Leser am zugänglichsten sind. Bei einem Buche, wie das gegenwärtige, besteht die Schwierigkeit hauptsächlich darin, den Zweck desselben stets unverrückt im Auge zu behalten und für denselben weder zu viel noch zu wenig zu geben. Ich kann nicht läugnen, dass die Liebe, mit welcher ich die Arbeit ausführte, und der grosse Reichthum des sich darbietenden Materials mich oft nach der ersteren Seite zu drängen droheten; ob und in wiefern der Zwang, den ich mir deswegen anthun musste, dem Buche Eintrag gethan hat, muss ich der unparteiischen Kritik zur Beurtheilung überlassen.

Ich weiss sehr wohl, dass die Mühe, welche Arbeiten wie diese kosten, von demjenigen Theile des Publicums, für welchen sie bestimmt sind, nicht in ihrem ganzen Umfange

gewürdigt wird, werde mich aber für die meinige vollkommen belohnt halten, wenn das Buch seinen Zweck erfüllt, zum allseitigen Studium der spanischen Litteratur zu ermuntern und das Interesse für dieselbe in immer weiteren Kreisen zu verbreiten.

Ich kann diese Vorrede nicht schliessen, ohne mit dem wärmsten Danke anzuerkennen, dass die ausserordentliche Liberalität, mit welcher die französische Regierung die Schätze ihrer Bibliotheken zugänglich macht, auch mir in hohem Maasse zu Theil geworden ist. Sehr erleichtert wurde mir die Benutzung derselben durch die zuvorkommende Gefälligkeit der Vorstände der kaiserlichen Bibliothek, insbesondere unseres verehrten Landsmannes Prof. Hase, ersten Conservators der Manuskripte, dessen Namen ich wohl nur zu nennen brauche, um an die ausgezeichnetsten Verdienste um die Wissenschaften und an die liebenswürdigste Humanität zu erinnern. Ihm, sowie Herrn Magnin, der sich auf das bereitwilligste der Mühe der Nachsuchungen für mich unterzog, bekenne ich mich hoch verpflichtet. Endlich drängt es mich aber auch allen denjenigen, welche meine Arbeit durch ihren schätzbaren Rath unterstützt haben, vor allen Hrn. F. Wolf in Wien, dem ich höchst werthvolle Winke und Nachweisungen verdanke, sowie den Herren Edéléstand du Méril und Graf A. de Circourt in Paris hiermit öffentlich meinen Dank abzustatten.

Paris, den 13. October 1854.

L. G. Lemcke.

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