Kunstschriften, Volume 2

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Pagina 45 - Jede Form, auch die gefühlteste, hat etwas Unwahres; allein sie ist ein für allemal das Glas, wodurch wir die heiligen Strahlen der verbreiteten Natur an das Herz der Menschen zum Feuerblick sammeln.
Pagina 63 - Wie die einfache Nachahmung auf dem ruhigen Dasein und einer liebevollen Gegenwart beruhet, die Manier eine Erscheinung mit einem leichten fähigen Gemüt ergreift, so ruht der Stil auf den tiefsten Grundfesten der Erkenntnis, auf dem Wesen der Dinge, insofern uns erlaubt ist es in sichtbaren und greiflichen Gestalten zu erkennen.
Pagina 48 - Jeder Mensch hat mehrmal in seinem Leben die Gewalt dieser Zauberei gefühlt, die den Künstler allgegenwärtig faßt, dadurch ihm die Welt ringsumher belebt wird. Wer ist nicht einmal beim Eintritt in einen heiligen Wald von Schauer überfallen worden? Wen hat die umfangende Nacht nicht mit einem unheimlichen Grausen geschüttelt? Wem hat nicht in Gegenwart seines Mädchens die ganze Welt golden geschienen? Wer fühlte nicht an ihrem Arme Himmel und Erde in wonnevollsten Harmonien zusammenfließen?...
Pagina 63 - Sprache zu machen, durch genaues und tiefes Studium der Gegenstände selbst endlich dahin, daß sie die Eigenschaften der Dinge und die Art, wie sie bestehen, genau und immer genauer kennen lernt, daß sie die Reihe der Gestalten übersieht und die verschiedenen charakteristischen Formen nebeneinander zu stellen und nachzuahmen weiß: dann wird der Stil der höchste Grad, wohin sie gelangen kann, der Grad, wo sie sich den höchsten menschlichen Bemühungen gleichstellen darf.
Pagina 551 - Es ist die Sache, ohne die Sache zu sein, und doch die Sache; ein im geistigen Spiegel zusammengezogenes Bild, und doch mit dem Gegenstand identisch.
Pagina 25 - Laß einen Mißverstand uns nieht trennen, laß die weiche Lehre neuerer Schönheitelei dich für das bedeutende Rauhe nicht verzärteln, daß nicht zuletzt deine kränkelnde Empfindung nur eine unbedeutende Glätte ertragen könne. Sie wollen euch glauben machen, die schönen Künste seien entstanden aus dem Hang, den wir haben sollen, die Dinge rings um uns zu verschönern. Das ist nicht wahr! Denn in dem Sinne, darin es wahr sein könnte, braucht wohl der Bürger und Handwerker die Worte, kein...
Pagina 103 - DER Jüngling, wenn Natur und Kunst ihn anziehen, glaubt mit einem lebhaften Streben bald in das innerste Heiligtum zu dringen; der Mann bemerkt nach langem Umherwandeln, daß er sich noch immer in den Vorhöfen befinde.
Pagina 114 - Das schlechteste Bild kann zur Empfindung und zur Einbildungskraft sprechen, indem es sie in Bewegung setzt, los und frei macht und sich selbst überläßt; das beste Kunstwerk spricht auch zur Empfindung, aber eine höhere Sprache, die man freilich verstehen muß; es fesselt die Gefühle und die Einbildungskraft; es nimmt uns...
Pagina 117 - Um von Kunstwerken eigentlich und mit wahrem Nutzen für sich und andere zu sprechen, sollte es freilich nur in Gegenwart derselben geschehen. Alles kommt aufs Anschauen an, es kommt darauf an, daß bei dem Worte, wodurch man ein Kunstwerk zu erläutern hofft, das Bestimmteste gedacht werde, weil sonst gar nichts gedacht wird.
Pagina 303 - Es gibt keine patriotische Kunst und keine patriotische Wissenschaft. Beide gehören, wie alles hohe Gute, der ganzen Welt an, und können nur durch allgemeine freie Wechselwirkung aller zugleich Lebenden, in steter Rücksicht auf das was uns vom Vergangenen übrig und bekannt ist, gefördert werden.

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