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Den von der Botanik in ihren Systemen angelegten Maassstab unmittelbar in der Ethnologie zu verwenden, steht indessen eine Schwierigkeit entgegen, die in ihrer Tragweite genau gekannt sein muss, um bedenkliche Irrungen zu vermeiden. Bei den Pflanzen haben wir es mit einem irdischen Naturobjecte zu thun, mit einer Organisation, die während der ganzen Zeit ihrer Existenz in der Entwickelung (in Entwickelung und Rückbildung) begriffen ist, die aber auf Erden zum rückläufigen Abschluss gelangt, so dass wir den Cyclus ihres Umlaufes zu überblicken vermögen. Wir können uns also das Totalbild der Pflanzen nicht nur aus den verhältnissmässig blei benden und dauernden Symptomen zusammenstellen, sondern auch aus allen den Wechseln und Aenderungen, die sie in der stereotypischen Wiederkehr derselben Phasen mit unveränderter Regelmässigkeit zu untergehen haben. Beim Menschen entgeht uns diese Gesammtanschauung, wir kennen nicht das Ganze, und wir vermögen deshalb auch nicht direct den relativen Werth der Theilganzen zu bestimmen. Die ganze Menschheit wächst gleichsam als Baumheit hervor, zu deren Stamm*) die vielfachen Volksrassen eine exentrische Stellung einnehmen und sich lateral weiter verästeln. Diese beginnen kaum zu keimen, jene stehen in vollem Schuss der Blüthe, Andere sind längst verwelkt, vielleicht schon gefallen und einige mögen wieder ihrer Fruchtreife nahe sein, aber die krönende Blume des Mutterbaumes, das Ziel, dem er entgegenreift, kennen wir nicht, und somit nicht den Abschluss seiner Cirkellinie, da es uns nie beschieden sein wird und nie beschieden sein kann, aus dem Saamen unseres eigenen Menschheitsbaumes einen zweiten gepflanzt und emporwachsen zu sehen. So ist die Verwendung des natürlichen Systems in der Ethnologie eine weit weniger leichte und einfache, als in der Botanik, sie erheischt die Berücksichtigung einer grossen Menge von Nebenumständen, von mitwirkenden Factoren, aber unmöglich bleibt sie bei alledem nicht. Sie bedarf nur einer complicirteren Berechnungsmethode, um ein richtiges Facit zu gewinnen.

Gehen wir auf dasjenige ein, wodurch vor Allem der specielle Habitus einer Pflanze bedingt wird, so liegen zwei, ihren mitwirkenden Werthen nach verschieden abgeschätzte Ursächlichkeiten vor: einmal die specifische Eigenthümlichkeit der Pflanze**) als solcher (ihr nisus formativus), und dann der Einfluss ihrer klimatisch-geographischen Umgebung. Beide wirken zusammen, denn nicht nur trägt jede Zone ihren characteristisch.

*) Um den anthropologischen Stamm von den secundären Rassen zu scheiden, stellte Geoffroy St. Hilaire seine auf Schädelformen gestützte Typen auf, als Grundlage der Rassen, aber an die Stelle jenes allzu einseitigen Eintheilungsprinzipes muss der Gesammthabitus seinen physischen und psychischen Merkmalen nach treten.

** oder des Thieres. Die Beziehungen, aus denen die Erhaltung der Art begründet ist, resultiren aus dem durchgehenden Geschlechts- Gegensatz im Thierreich und ihre unendliche Mannigfaltigkeit in den verschiedenen Typen hat in Wirklichkeit nichts mit den Ausseren Bedingungen der Existenz zu thun. (Agassiz).

botanischen Character, der Norden in der Tanne, der Süden in der Palme, sondern auch dieselbe Pflanze kann durch die Acclimatation auf fremdem Boden derartige Veränderungen untergehen, dass man (wie Schübler an der nach Trondhjem verpflanzten Bohne Montreal's bemerkt), zweifeln muss, dasselbe Product vor Augen zu haben. Die soweit möglichen Ocillationen haben ihre typische Spielweite, innerhalb welcher sie hin- und herschwingen. Wünschen wir nun die aus diesen beiden Grundursachen folgenden Wirkungen zum Gegenstande einer naturwissenschaftlichen Untersuchung zu machen, so werden wir uns bald gezwungen sehen, die erste derselben, die specifische Eigenthümlichkeit der Pflanze als solche, ausfallen*) zu lassen, weil sie sich durch Anknüpfung an einen absoluten Anfang unserer auf relativen Verhältnisswerthen basirten Forschungsmethoden entzieht und in keiner Weise Object derselben werden kann, bis wir später darauf zurückkommen, wenn wir in den Relationen selbst den festen Ansatzpunkt gefunden haben. Auch mag dieser Wegfall um so unbedenklicher geschehen, weil diese vermeintliche Mitursache doch schliesslich nur der Effect der anderen sein könnte und jedenfalls in vorläufiger Hypothese als solcher aufgefasst, als ein seiner Werthauflösung entgegenschendes x in die Gleichungen hinübergenommen werden kann. Zersetzen wir den Saamen, so gelangen wir auf die vier Elementarstoffe, aus deren Zusammentreten wir ihn uns ebenso gesetzlich hervorgehend denken können, wie den Kristall aus dem seinigen, nur dass für das Anschiessen des letzteren terrestrische Kraftcntfaltung in polarer Spannung genügt, während bei dem Sprossen der Zelle das kosmische Agens der Sonne (oder doch eine Wärme Manifestation) hinzutreten muss. Ein weiteres Theoretisiren über Gebiete, die noch nicht empirischexperimentell aufgeklärt sind, verbietet die exacte Induction in Untersuchungen, die sich nicht über das Reich der Speculation auszudehnen beabsichtigen.

Wir haben deshalb zur Erklärung des botanischen Habitus bei der Pflanze, als Ausdruck der geographischen Provinz stehen zu bleiben, als ein

*) „Für alle Thiere und Pflanzen (bemerkt Agassiz) steht die eine Seite der Organisation in Beziehung mit der Natur der Elemente, innerhalb welcher sie leben, während für die andere Seite diese Beziehung nicht existirt. Es ist dann eben dieser von den Verhältnissen unabhängige Theil des organisirten Wesens, das den eigentlichen Character, das typische, bedingt. Obwohl die belebten Wesen nicht durch die Thätigkeit der physischen Welt erzeugt werden, so leben sie doch in dem Schoosse derselben und stehen mit ihr in Beziehungen.“ „Bei den niederen Pilzen genügt allein eine Veränderung der äusseren Verhältnisse, um mannigfaltige Formen zu erzeugen, die bisher als selbstständige Arten betrachtet wurden" (Bail). Aus der Urform des Mucor Mucedo entwickeln sich an den Fliegen in der Luft Empusa muscae, im Wasser Achlya prolifera, in der Würze Hormiscium Cerevisiae. Diodor meint, dass die Erde mit dem Erhärten ihrer Rinde unfähig geworden, lebende Thiere aus Eiterbeulen (gleichsam aus geschlechtslosen Geschlechtsblasen Oken's) zu erzeugen, obwohl im thebischen Districte Acgyptens noch halb aus dem Boden gewachsene Mäuse mitunter gesehen würden. Die Entwickelungstheorie führt Alles auf die grosse Einheit zurück, die allerdings Alles durchwaltet, vergisst jedoch dabei, dass erst mit dem Differenziren dieser Allgemeinheit ein Erkennen überhaupt nur gegeben sein kann.

Product der wandelnden Umgebungsverhältnisse, des Milieu ambiante im jedesmaligen Schöpfungs-Centrum. Das Erzeugniss der geographischen Provinz hängt von den geologisch-meteorologischen Verhältnissen ab, von den orographischen, hydrographischen, continentalen oder maritimen, von der Ortslagerung unter den Curven der Isothermen, Isotheren, Isochimenen, Isogeothermen, Chthonisothermflächen, isobarometrischen Linien u. s. w. und einer Menge*) erkennbarer oder verborgener Nebenumstände. Während die Pflanze, die dem Lande seine Physiognomie ertheilt, das nähere Resultat der Bodenbestandtheile ist, die ihr zur Ernährung dienen, der klimatischen Wechsel, unter denen sie aufwuchs, besitzt das Thier in seinen Wanderungen einen weitern oder engern Spielraum der Adaptationsfähigkeit und der Mensch vergrössert diesen, indem er durch seine geistigen Fähigkeiten die Feindseligkeit der Umgebung zu überwinden und günstig umzugestalten vermag. Die Eintheilung in drei Zonen zu Grunde legend, unterscheidet v. Meyen in jeder Hemisphäre acht kleinere Zonen, als durch eine eigenthümliche Vegetation characterisirt, und die Phasen der horizontalen Richtung wiederholen sich auf den entsprechenden Abstufungen der verticalen, bei gleichem Mittel aus Temperatur und Höhe. Die Eintheilung der geographischen Provinzen in der Zoologie**) würde den Bedürfnissen der Ethnologie näher kommen, wenn sie statt das ganze Thierreich (wie in den 14 Swainson's oder in den 8-12 Agassiz') gemeinsam zu umfassen, für jede einzelne Ordnung, oder besser noch Familie, markirende Trennungslinien zöge, wenn sie z. B. genauere Aequationen zwischen der Lebensexistenz des Ursus arctos und der gemässigten Zone, des Ursus maritimus und der kalten, des Ursus malayensis und der heissen aufzustellen vermöchte, oder die Verkettung des Lepus timidus, variabilis, tolai, macrotis, nigricollis, aegyptius, capensis, americanus, campestris, callotus, brasiliensis, cuniculus, hispidus, brachyurus mit dem Boden, über den sie streifen.

Während wir nun die Flora und Fauna, die für jede geographische Provinz charakteristisch ist, bei einiger Vorsicht direct bestimmen können, werden wir in der Ethnologie nur auf indirecten Umwegen dahin gelangen. können, da der Mensch die Erde unter seinen Händen verändert und, mit dem Wechsel dieser, seinen eigenen Typus modificirt. Die in der geschichtlichen

*) Für die Mannigfaltigkeit der Fische in dem überall mit einander communicirenden Flussnetz Sudamerika's wies Humboldt nach, wie Temperatur, Höhe, Tiefe oder Schnellig. keit der Gewässer, ihre Unreinheit, ihre chemischen Auflösungen, der bald lehmige, bald kieselige Boden bedeutsamen Einfluss auf die localen Erscheinungen ausübte. Für das in den Menschenrassen hervortretende Resultat trägt ausser seinen physischen Umgebuungsverhältnissen die psychische Atmosphäre bei, in der er lebt.

**) Für die Menschen stellt Maltebrun 14 Rassen auf, Bory de St. Vincent 15, Dumoulin 11, dann Prichard 7, Lesson 6, Maury 8, Morton 22. Zeune hielt 3, Weber 4 Urformen des Schädels fest. Zu den nach den Nähten bestimmten Schädeln des Hippocrates (und Galen) fügte Vesal eine füufte Form.

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