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im Einzelnen um so weniger nachgewiesen werden, als es uns einerseits überhaupt an jeder ausführlichen Quelle über die Geschichte der Unterwerfung Italiens seit dem J. 293 v. Chr. fehlt, mit welchem die erste Decade des Livius endet, andererseits dasjenige, was wir darüber erfahren, von Schriftstellern herrührt, die nach der lex Julia schrieben und somit von den früheren Verhältnissen keine Anschauung mehr hatten. Zunächst wendeten schon damals die Römer das Mittel an, das sie in der Folge in Macedonien und andern Provinzen nach deren erster Eroberung wieder brauchten, um eine Vereinigung zum Widerstande für alle Zeit zu verhindern; sie lösten die Verbindungen der eroberten Städte unter einander auf"). Von einem Verhältniss dieser civitates unter einander ist somit nicht zu reden; ihrem Verhältniss zu Rom nach aber zerfielen sie in zwei Hauptclassen, nämlich solche, welche das römische Bürgerrecht erhielten und solche, die durch ein foedus zu bestimmten Leistungen, namentlich der Stellung von Truppen verpflichtet waren. Zu der ersten Classe gehören einmal die

lonien Ruperti, de coloniis Romanorum. Romae 1838. Const. Dumont, Essai sur les Colonies Romaines. Brüssel 1844. 8. Meine Darstellung schliesst sich an die vortreffliche Untersuchung von Madvig am nächsten an, so wie an die einfache und klare Entwickelung Peters und Mommsens; sie weicht fast in allen streitigen Puncten von der bei Walter ab, welcher bei den Ansichten Niebuhrs stehen bleibend, den wesentlichen Fortschritt, den die Untersuchung durch Madvig gemacht hat, nicht genügend anerkennt. Die Resultate Kiene's in dem hieher gehörigen ersten Abschnitte kann ich fast nirgends billigen, sowie auch die scharfsinnige Erörterung Rubinos weder für mich noch für diejenigen, welche sich bisher darüber geäussert haben, überzeugend gewesen ist. Die Rücksicht auf eine übersichtliche Darstellung des fast in allen Puncten mehr oder weniger streitigen Gegenstandes erlaubte mir nicht, auf abweichende Ansichten überall einzugehen; man findet dieselben sorgfältig zusammengestellt von Rein in Pauly's Realencycl. besonders Th. V, S. 212 ff. unter Municipium.

7) Nach der Beendigung des Latinerkrieges 338 v. Chr. führt Livius VIII, 14 die Unterwerfungsbedingungen einzelner Städte an; dann heisst es: ceteris Latinis populis connubia commerciaque et concilia inter se ademerunt, was ich mit Peter a. a. O. S. 203 allgemein verstehe, Madvig p. 235 aber so deutet, dass den Städten, die das Bürgerrecht erhielten, das connubium und commercium mit den übrigen Städten entzogen sei. Ebenso geht es 306 den Hernikern (Liv. IX, 43. Anagninis, quique arma Romanis intulerant — concilia connubiaque ademta) und wahrscheinlich auch, worüber wir ohne Nachricht sind, den Samnitern und Etruskern. Allerdings aber war das Verbot des connubium wohl nur eine vorübergehende Maassregel, welche die Römer später, als sie der Unterworfenen sicher waren, abstellten. Peter S. 215.

Municipien und zweitens die römischen Bürger colonien; zu der zweiten die civitates foederatae, zu welchen auch die coloniae Latinae zu rechnen sind. Diese vier Arten von Städten, von deren innerer Verfassung später die Rede ist, sind hier in ihrer Beziehung zu Rom einzeln zu besprechen.

1. Municipia. Der Ausdruck municeps, ob man ihn mit den Alten erklärt von munus capessere3) im Sinne von mun. fungi oder, wie neuerdings mit vielem Scharfsinn versucht ist, von munus capere,,Geschenk erhalten", welche Erklärung der Etymologie des Wortes sich allerdings am meisten anschliesst 9), ist jedenfalls in einer Zeit entstanden, welche vor der hier in Rede stehenden Periode liegt, und würde nach der letzten Deutung sich auf das ius hospitii publici beziehen, welches zwischen Rom und verbündeten Staaten Italiens bestand 10). Der alte Name erhielt sich, nachdem das Verhältniss, welches er bezeichnete, nicht mehr vorhanden war. Diejenigen Städte nämlich, welche die Römer in den Samniterkriegen, namentlich in dem latinischen Kriege (340-338 v. Chr.) völlig unter

8) Gellius XVI, 13. Municipes ergo sunt cives Romani ex municipiis, legibus suis et suo iure utentes, muneris tantum cum populo Romano honorarii participes, a quo munere capessendo appellari videntur. Aelius Gallus bei Festus p. 142 Müll. Varro de L. L. V, § 179 Müll. Municipes, qui una munus fungi debent. Ulpian. Dig. L, 1, 1 § 1. Et proprie quidem municipes appellantur muneris participes, recepti in civitatem, ut munera nobiscum facerent. Von munus facere kommt aber ein im Militärdienst gewöhnliches, regelmässig gebildetes Wort munifices her (Paulus Dig. L, 16, 18. Veget. II, 7. Hi sunt milites principales, qui privilegiis muniuntur. Reliqui munifices appellantur, qui munia facere coguntur), nicht das Wort municipes.

9) Rudorff im Berliner Lectionscatalog Winter 1848-49.

10) Wie nämlich Privatgastfreunde sich beim Abschiede ein §έviov schenken, so erhalten hospites publici und legati in Rom ausser Wohnung und Beköstigung (lautia) ein Abschiedsgeschenk. S. die von Rudorff angeführten Stellen Liv. XXVIII, 39. XXX, 17. XXXVII, 4. XLII, 6. 19. XLIII, 5. 6. 8. XLIV, 14. XLV, 42. und das SCtum de Asclepiade Clazomenio aus dem J. 78 v. Chr. bei Spangenberg, Monum. legal. p. 93 lin. 25. Ueber das hospitium publicum s. mehr bei Mommsen, die röm. Tribus S. 159. Ein Bezug auf diese §évia scheint in der Definition bei Isidorus Origg. IX, 4, 21 zu liegen, der freilich von Isidor selbst nicht mehr verstanden ist: Municipes sunt in eodem municipio nati, ab officio munerum dicti eo quod munia publica acceperunt. Dann wird hinzugesetzt: Munia enim officia sunt, unde et immunes dicuntur, qui nullum gerunt officium.

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warfen 11), beraubten sie entweder ganz oder grossentheils ihrer selbständigen politischen Existenz, führten in ihnen römisches Recht ein 12), und verpflichteten sie zu den Leistungen des Kriegsdienstes und des Tributes, ohne ihnen irgend einen Antheil an der Verwaltung des römischen Staates, in den sie nunmehr aufgingen, zuzugestehen. Dies ist der Begriff der civitas sine suffragio et iure honorum, welche diesen Staaten verliehen wurde, nicht als eine Wohlthat, wie unsere Quellen, namentlich Livius und Dionysius 13), durch Verhältnisse späterer Zeit getäuscht angeben, sondern als eine völlige Unterthänigkeit mit blossen Lasten und ohne politische Rechte 14), denn commercium und connubium mit Römern erhielten sie 15) — und auf diesen Begriff wurde zunächst der Name der Municipes übertragen, für welche nunmehr allerdings das munus fungi, d. h. die Leistungen an den Staat 16), das Wesentliche ausmachen. Doch gab es auch unter diesen Municipien, d. h. Städten römischer Bürger ohne Stimmrecht und ohne Anspruch auf römische Staatsämter eine Verschiedenheit der Rechte 17), indem einigen Städten die Verwaltung ihrer Communalangelegenheiten durch ihren Senat 18) und ihre alten Behörden 19) gelassen, in andern

11) Peter a. a. O. S. 202 stellt die allgemeine Behauptung auf, dass im J. 338 und in den nächsten Jahren keine latinische Stadt das Bürgerrecht optimo iure, d. h. mit Einschluss des suffragium und des ius honorum erhielt. Wenn Rubino S. 882 dieses durch Dio Cass. fragm. Vat. 31. ὅτι ἀνθυπαγόμενοι τοὺς Λατίνους εἰς εὔνοιαν οἱ Ρωμαῖοι τὴν πολιτείαν αὐτοῖς ἔδωκαν, ὥστε καὶ τῶν ὁμοίων σφίσι μεταλαμβάνειν τη widerlegen sucht, so scheint mir auf diese Stelle ebenso wenig zu geben, als auf die falschen Vorstellungen des Livius und Dionysius über die damals ertheilte civitas. Eher könnte man aus den um diese Zeit errichteten beiden Tribus schliessen, dass einige Städte civitas cum suffragio erhielten (S. Kiene, Rubino und Walter I, S. 95), obwohl auch dieses kein Beweis dafür ist.

12) Madvig p. 234. Ausdrücklich erwähnt dies bei den Hernikern Liv. IX, 43.

13) Madvig a. a. O. p. 233.

14) Dies Resultat, welches bei Niebuhr R. G. II, S. 67. 68 III, S. 163 erkannt, aber nicht klar erwiesen ist, ergiebt sich aus der vortrefflichen Erörterung Madvig's p. 233 ff. Vgl. Peter a. a. O. S. 203. 15) Peter S. 203.

16) Niebuhr R. G. II, S. 61.

17) Ausführlich handelt hierüber Mommsen, die röm. Tribus. S. 157 ff. Vgl. dens., das röm. Münzwesen, S. 246.

18) So kommt ein senatus Fundanorum vor, Liv. VIII, 19, nachdem

eben Fundi die civitas sine suffr. erhalten hat (c. 14).

19) So sind die Aediles in Arpinum (Cicero ad fam. XIII, 11, 3.

das Gemeinwesen ganz aufgehoben wurde 2o), welchen Unterschied Paulus Diaconus u. d. W. municipium p. 127 Müll. ausdrücklich bezeichnet: Municipium id genus hominum dicitur, qui, quum Romam venissent neque cives Romani essent, participes tamen fuerunt omnium rerum ad munus fungendum una cum Romanis civibus, praeterquam de suffragio ferendo aut magistratu capiendo; sicut fuerunt Fundani, Formiani, Cumani21), Acerrani22), Lanuvini, Tusculani 23), qui post aliquot annos cives Romani effecti sunt24). Alio modo, quum id genus hominum definitur, quorum civitas universa in civitatem Romanam venit, ut Aricini25), Cerites, Anagnini 26). Die beiden Classen von Municipien, die in dieser Stelle unterschieden werden, haben das Gemeinsame, dass die Bürger derselben cives Romani sine suffragio sind 27); dagegen ist unter

Orelli Inser. n. 571) und die Dictatores in Tusculum, Lanuvium und in andern Städten (Cic. pr. Milon. 10. Orelli Inscr. Sel. zu N. 3786 f. Lorenz, de dictatoribus Latinis et municipalibus. Grimmae 1841. 4.) aus der Zeit der freien Verfassung dieser Städte beibehalten.

20) Liv. IX, 43. Anagninis, quique arma Romanis intulerant, civitas sine suffragii latione data: et magistratibus praeterquam sacrorum curatione interdictum. Madvig p. 234 f. Das deutlichste Beispiel für diese Classe von Städten bietet aus früher Zeit Caere dar, das zuerst in einem hospitium publicum mit Rom stand (Liv. V, 50. VII, 20), nach der Empörung gegen die Römer aber civitas sine suffragio erhielt (Gellius XVI, 13 primos autem municipes sine suffragii iure Caerites esse factos accepimus). Ich halte für richtig, was über sie Mommsen, R. Trib. S. 160. 161 annimmt, dass sie nirgends active Bürgerrechte hatten, weder in Rom noch in Caere, und dass dies der Begriff der Tabulae Caeritum ist; wenn Mommsen in der Abh. üb. d. röm. Münzwesen S. 246 seine Ansicht wegen der offenbar sehr verworrenen Stelle des Gellius zurücknimmt, und Caere zu den Städten rechnet, die ihr Gemeinwesen behielten, so übersieht er das Zeugniss des Paulus, das seine erste Ansicht durchaus bestätigt.

21) Liv. VIII, 14. Campanis - Fun danisque et Formianis civitas sine suffragio data. Cumanos Suessulanosque eiusdem iuris conditionisque, cuius Capuam, esse placuit.

22) Liv. VIII, 17. Romani facti Acerrani, lege ab L. Papirio praetore lata, qua civitas sine suffragio data.

23) Liv. VIII, 14. Tusculanis servata civitas, quam habebant. Sie erhielten sie 379 v. Chr. Liv. VI, 33. vgl. VI, 20.

24) Nämlich Cumae 215 v. Chr. (Liv. XXIII, 31.) Fundi und Formiae 188. (Liv. XXXVIII, 36).

25) Livius VIII, 14 weicht hierin ab: Aricini eodem iure, quo Lanuvini in civitatem recepti.

26) S. Anm. 20.

27) Diese Erklärung Madvig's und Peter's, wonach angenommen wird, dass Paulus unter cives römische Vollbürger verstehe, und dass die muni

ihnen der Unterschied, dass die erste Classe den Vorzug hat, eine eigene Gemeinde zu bilden (ut semper rem publicam separatim a populo Romano haberent, wie es an einer andern Stelle des Festus p. 142 Müll. heisst), während die zweite

cipes dieser Classe diesen als Nichtvollbürger entgegengesetzt werden, hat ihre Hauptstütze in den Beispielen, welche bei Livius alle in der Geschichte des Jahres 338 vorkommen. Denn auch Tusculum, das schon 379 die civitas erhielt, wird nochmals 338 bei Livius VIII, 14 angeführt, weshalb der Einwand, den Walter I, S. 88 aus dem früheren Bürgerrechte Tusculum's gegen Madvig hernimmt, nicht von Gewicht ist. Es giebt indessen noch eine andere Erklärung der Stelle des Paulus, die von Niebuhr R. G. I, S. 64 ff. aufgestellt, von Kiene S. 35 und Walter I, S. 92 gebilligt und von Rein S. 213 am vollständigsten erörtert ist. Nach dieser bezeichnet Paulus in der ersten Hälfte seiner Definition den ursprünglichen Begriff von Municipium, als welchen wir den des hospitium publicum annahmen, die angeführten Gelehrten dagegen den der Isopolitie bezeichnen, durch welche föderirte Staaten mit Rom gemeinsames Connubium und Commercium erhielten. Den Grund zu dieser Erklärung geben die Worte quum Romam venissent, welche sich in der andern Definition bei Festus p. 142 Müll. wiederfinden: Item municipes erant, qui ex aliis civitatibus Romam venissent, quibus non licebat magistratum capere, sed tantum muneris partem, und ferner die Worte neque cives essent, die man übersetzt: ,, ohne überhaupt irgend eine Art des Bürgerrechtes zu haben." Daber erklärt Walter S. 88 die Stelle so: ,,die Anerkennung als municipium setzte fest, dass der Bürger der andern Stadt, der sich in Rom, oder der Römer, der sich in der andern Stadt ansiedeln wollte, hier aller Vortheile des Bürgerrechtes mit Ausnahme des Stimmrechtes und des Zutritts zu den öffentlichen Aemtern theilhaftig werden sollte, ohne jedoch eigentlich Bürger zu sein und ohne das Bürgerrecht seiner Heimath zu verlieren." Hiegegen ist anzuführen, zuerst, was Madvig S. 237 gegen Niebuhr geltend gemacht hat, dass, wenn Paulus diese Isopolitie meinte, er als Beispiel das alte foedus der Latiner und Herniker hätte anführen müssen; dass er aber wirklich nur einige einzelne Städte nennt, die gerade alle zusammen in der Geschichte des Jahres 338 vorkommen, was unmöglich für ein zufälliges Zusammentreffen zu halten ist; zweitens aber, was Niebuhr S. 67 selbst sah, dass nach dieser Erklärung die zweite Art der Municipes,,so ungenügend als dunkel" von der ersten unterschieden wird. Nach Madvig's Erklärung tritt dagegen die Unterscheidung deutlich hervor. Die municipes der zweiten Classe, quorum civitas universa in civitatem Romanam venit, haben gar keine volle Civität, weder in Rom denn dort haben sie kein suffragium noch in ihrer patria denn diese ist politisch aufgehoben -; die municipes der ersten Classe sind Vollbürger in ihrer als Commune bestehenden patria, aber auch in Rom (quum Romam venissent) haben sie, ohne Vollbürger zu sein (neque cives essent) die privatrechtlichen Befugnisse zu Geschäften aller Art, die ihnen das connubium und commercium gewährt. So glaube ich die Worte quum Romam venissent, durch den Gegensatz gerechtfertigt, der auch in der Stelle des Festus p. 142, welche nur ein Fragment ist, seinen Platz hat; jedenfalls aber muss bei einem Zeugniss, welches nur aus einer vollständigeren Stelle excerpirt ist, und seiner Form nach zu scharfen darauf zu bauenden Schlussfolgen wenig berechtigt, der in den Beispielen sicher documentirte Inhalt maasgebend sein.

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