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denn auch die Zahl selbst den ursprünglichen 300 römischen Gentes analog ist 55). Sie bildeten in dem Orte den bevorzugten Stand, wie die Patricier in Rom 56), besassen den dritten Theil des zu dem Orte gehörigen Gebietes, wählten aus sich einen Senat, und blieben auch nach ihrer Ansiedelung im Besitze der unverminderten civitas cum suffragio et iure honorum 57). Auf sie allein bezieht sich ursprünglich der Begriff der Colonie, der die unterworfenen Einwohner nicht mit umfasst 58). Im Gegentheil versuchten die letzteren oftmals ihre Freiheit durch Austreibung oder Ermordung der coloni wiederzugewinnen 59), woraus zu ersehen ist, dass ihre Lage sehr ungünstig sein musste. Etwas Näheres über dieselbe wird nirgends berichtet. Unter den verschiedenen Ansichten darüber ist indessen die von Madvig die bei weitem wahrscheinlichste, wonach sie, wie die älteren municipia, civitas sine suffragio hatten 6). Denn erstens wird ausdrücklich erwähnt, dass sie das Bürgerrecht hatten 61), was natürlich bei eben unterworfenen Orten in dem vorhin besprochenen Sinne einer vollkommenen Unterthänigkeit ohne politische Rechte zu verstehen ist; sodann gab es für die alten Einwohner keine anderen Behörden, als die der Colonie, unter welchen sie ebenfalls standen, und kein anderes Recht, ́als das der römischen Colonen 62), so dass sie in keiner Be

55) Niebuhr, R. G. II, 55 und dazu Madvig p. 225.
56) Niebuhr a. a. O.

57) Diesen Satz hat Madvig p. 244-254 ausführlich erwiesen, und er wird jetzt allgemein anerkannt. Peter, Zeitschr. f. Alterth. 1844. S. 198. Rein in Pauly's Enc. II. S. 506. Walter I, S. 252. Eine der Hauptstellen ist Appian. B. C. I, 10, welcher zu den Comitien des Ti. Gracchus erscheinen lässt πλῆθος ἄλλο, ὅσον ἐν ταῖς ἀποίκοις πόλεσιν ἢ ταῖς ἰσοπολίτισιν ἢ ἄλλως ἐκοινώνει τῆςδε τῆς γῆς. Ueber die früheren Ansichten von dem Stimmrechte der Colonien s. Madvig p. 228. Rein in Pauly's Realenc. V. S. 221. Vgl. oben Th. II, 3. S. 50.

58) Dionys. VIII, 14. ἐπὶ Κιρκαίαν πόλιν, ἐν ᾗ κληροῦχοι Ρωμαίων ἦσαν ἅμα τοῖς ἐπιχωρίοις πολιτευόμενοι. Niebuhr II, S. 52.

59) S. Madvig p. 227. So heisst es von Cameria Diony s. II, 54: τοὺς μὲν ἀπέκτειναν τῶν ἐποίκων, τοὺς δ ̓ ἐξέβαλον. So fel Sora im J. 310 zu den Samnitern ab interfectis colonis Romanorum. Liv. IX, 23. Diodor. XIV, 102.

60) Madvig p. 232-244.

61) Niebuhr II, S. 56. S. Dionys. II, 35. 50. III, 49. Das Beispiel von Antium Liv. VIII, 14. vgl. VI, 17. IX, 16. und über diese Stellen Rein a. a. O. S. 506 f.

62) S. unten über die Präfecturen.

ziehung diesen gegenüber als eine eigene Gemeinde zu betrachten sind; und endlich würde die Verschmelzung der beiden Bestandtheile in den Colonien, welche lange vor der lex Julia eintrat, und durch welche der Begriff der colonia auf die ganze Bevölkerung derselben ausgedehnt wurde 63), viel schwieriger erfolgt sein, wenn die alten Einwohner peregrini geblieben wären 64). So aber erhielten einerseits diese allmälich das volle Bürgerrecht, wie die municipes vom J. 338, andererseits verloren die Colonisten den Character einer militärischen Besatzung, welche nach Unterwerfung Italiens nicht mehr nöthig war. Das alte Verfahren, neueroberte Länder durch Bürgercolonien zu sichern, haben die Römer nur noch auf Gallia Cisalpina angewendet, wovon weiter unten die Rede sein wird; seit den Gracchen hört dieser ursprüngliche Zweck derselben gänzlich auf, und bei neuen Colonisationen ist nur noch die Versorgung ärmerer Bürger maassgebend; bis endlich seit dem J. 100 v. Chr. 65) der Zweck derselben wieder ein anderer wird, nämlich die Belohnung ausgedienter Soldaten durch einen Ackerbesitz. In dieser letzten Entwickelungsperiode, welche

63) Niebuhr II, S. 52.,,Allein der Sprachgebrauch änderte sich angemessen, wenn Colonen und Einwohner zu einer gesammten Bürgerschaft verschmolzen, wie zu Rom Bürger und Gemeinde zu einem gesammten römischen populus. Ehe es zu Rom so weit gekommen war, konnte das freilich nicht geschehen; und als die Patricier den gemischten Eben noch keine bürgerliche Gültigkeit zugestanden, werden sie auch in den nach der Form des alten Rechts gegründeten Colonien kein Connubium mit den alten Einwohnern, schwerlich nur ein commercium, gestattet haben." Die zuletzt ausgesprochene Vermuthung, welcher Walter I, S. 251 folgt, bezieht sich auf die ältesten Colonien aus der Zeit vor Servius Tullius, in welche nur Patricier ausgeführt wurden, und von welchen ich absichtlich hier nicht rede, da über ihre Verfassung nichts überliefert ist. Für die Colonien der früheren republikanischen Zeit Roms giebt die Verfassung der damaligen Municipien die einzige sichere Analogie.

64) Dies ist die Ansicht von Rein in Pauly's Realenc. II, S. 506. Vgl. VI, S. 420, für welche es nur einen Beweis geben würde, wenn wirklich zwischen den alten Einwohnern und den Colonisten ius gentium gegolten hätte. Aber aus den Recuperatoren der lex Thoria ist dies weder im Allgemeinen, noch für die italischen Verhältnisse dieser Zeit mit Sicherheit zu schliessen. S. Rudorff in Zeitschr. f. gesch. Rechtswiss. X, 1. S. 76.

65) Vellei. I, 15, 5. In Bagiennis Eporedia colonia deducta est Mario sextum Valerioque Flacco consulibus (100 v. Chr.). Neque facile memoriae mandaverim, quae, nisi militaris, post hoc tempus deducta sit. Vgl. Zumpt, Comm. epigr. p. 205.

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hier nicht in Betracht kommt, stehen die Colonien, nunmehr ausschliesslich Militärcolonien, ihrer ursprünglichen Bestimmung zum Schutze eroberter Länder wieder näher. Das Verzeichniss der Bürgercolonien in Italien, denen wir, um uns hernach darauf zu beziehen, zugleich die wenigen ausseritalischen bis zum J. 100 v. Chr. hinzufügen, ist nach Madvig und Mommsen 66) folgendes:

1. Ostia67).

2. Antium.

3. Lavici in Latium 418 v. Chr.

4. Vitellia im Lande der Volsker 395?
5. Satricum im Lande der Volsker 384.
6. Tarracina (Anxur) ebendas. 329.
7. *Casinum daselbst 312.

8. Minturnae in Campanien 296.

9. Sinuessa in Campanien 296.

10. Sena Gallica in Umbrien c. 282.

11. Castrum novum in Picenum vor 264.

12. Aesulum in Latium 246.

13. Alsium in Etrurien. 14. Fregenae in Etrurien.

15. Pyrgi in Etrurien 68).

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66) Mommsen, das röm. Münzwesen. S. 224. Nach ihm bezeichne ich die Städte, von denen es ungewiss ist, ob sie coloniae civium oder Latinae waren, mit einem Sternchen.

67) Es war colonia maritima. Dass die coloniae maritimae Bürgercolonien waren, beweist Madvig p. 265, und der Umstand, dass sie nicht münzten. Velitrae, das Madvig p. 295 aufführt, war, wie es scheint, civitas foederata. S. Mommsen a. a. O. und Röm. Trib. S. 2. Anm. 2.

68) Castra, welches bei Madvig p. 300 folgt (Livius XXXII, 7), d. h. der Hafenort von Scylacium, wurde 199 durch 300 Ansiedler colonisirt, war aber zuerst nur ein pagus, nicht eine städtische Commune, und erhielt erst 123 zusammen mit der damals ausgeführten Colonie Scylacium Stadtrecht. S. Mommsen, über zwei röm. Colonien bei Velleius in den Berichten der K. Sächs. Gesellsch. der Wiss. zu Leipzig. Philolog.hist. Classe 1849 II. S. 49 f.

20. Buxentum in Lucanien 194. 21. Sipontum in Apulien 194.

22. Tempsa} im Lande der Bruttier 194.

23. Croton

24. Potentia in Picenum 184. 25. Pisaurum in Umbrien 184. 26. Saturnia in Etrurien 183. 27. Graviscae in Etrurien 181. 28. Luna in Etrurien 177.

29. * Fabrateria in Latium 124.

30. Scylacium, als Colonie Minervia 31. Tarentum, als Colonie Neptunia f

1. Parma

2. Mutina

Ausserhalb Italiens:

} } in Gallia Cispadana 183.

in Calabrien 69) 12370).

3. *Carthago in Africa, als Colonie Iunonia 71). 4. * Aquae Sextiae in Gallia Narbon. 12372).

5. *Dertona in Liguria.

6. *Narbo Martius in Gallia Narb. 118.

7. *Eporedia in Gallia Transpadana 100.

Wir haben bisher die beiden Staatsinstitute besprochen, deren die Römer sich als Mittel bedienten, um einen Theil der Bevölkerung Italiens durch unmittelbare Aufnahme in den römischen Staat seinen früheren Interessen und Verbindungen zu entziehen, und der römischen Gemeinde für alle Zeit unter verschiedenen Modificationen einzuverleiben. Ehe wir nun zweitens ihr Verfahren gegen diejenigen in Betracht ziehen, welche sie ausserhalb des römischen Gemeindeverbandes als verbündete Staaten fortbestehen liessen, müssen wir mit einem

69) Dass die Namen Minervia und Neptunia nicht besondere Orte, sondern neue Namen für die angeführten Städte sind, ist nach Mommsen's Beweisführung a. a. O. S. 50-55 nicht wohl zu bezweifeln.

70) Velleius a. a. O. Nach Appian. B. C. II, 23 im J. 122. 71) Nach Appian. B. C. I, 24 è§ öλns 'Italias deducirt, also wohl nicht Bürgercolonie. Mommsen, das röm. Münzwesen. S. 225. 72) Š. unten die Provinz Gallia. Anm. 499.

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Worte die Folgen andeuten, welche aus diesem Verhältnisse sowohl für den römischen Staat, als für die in denselben neu eingetretenen Ortschaften entstanden. Für den ersteren war die Folge die, dass, da nicht nur die ausgesendeten Colonisten in den Tribus blieben, sondern auch die in den Colonien und Municipien ursprünglich ansässige Einwohnerschaft allmälich ebenfalls das volle Bürgerrecht und damit Theil an einer Tribus erhielt, die römischen Tribus schon bald nach den punischen Kriegen sich geographisch über einen grossen Theil Italiens verbreiteten, bis sie endlich nach der lex Julia dasselbe ganz umfassten. Ein Bild dieser,,Italia tributim descripta“73) zu entwerfen, ist darum schwierig, weil die Städte einer und derselben Gegend, sei es wegen ihres ungleichzeitigen Eintritts in die römische Bürgerschaft, oder um das Prävaliren einer näher gelegenen Tribus gegen eine entferntere zu vermeiden, in verschiedene Tribus vertheilt waren, während man später, als die Wichtigkeit der Comitien aufgehört hatte, die Municipien und Colonien ganzer Länder zusammen in eine und dieselbe Tribus schrieb 74); indessen ist doch im Allgemeinen ersichtlich, dass die Ausdehnung der in den Comitien stimmberechtigten Bürgerschaft über ganz Italien die Ausübung dieses Rechtes einem Theile derselben geradezu unmöglich machte, und dadurch die Veränderungen vorbereitete, die in dem Wesen der Comitien in den letzten Zeiten der Republik vor sich gingen 75). Für die Municipien und Colonien war andererseits die Folge die, dass, nachdem sie in die civitas Romana aufgegangen waren, sie selbst aufhörten, civitates zu sein 76), und dass, seitdem das römische Recht bei ihnen Geltung erhalten hatte, sie alle unter

73) Cic. de pet. cons. 8, 30. Eine Sammlung der zu jeder Tribus gehörigen Städte findet man in der vortrefflichen Abhandlung von C. L. Grote fend, die römischen Tribus in historischer und geographischer Beziehung in Zeitschr. f. Alterthumswissenschaft 1836, Nr. 114-118.

74) So gehörten die neuen Municipien und Colonien von Spanien zur tribus Quirina und Galeria, die von Gallien zur Voltinia, die von Griechenland, Kleinasien und Africa zur Quirina.

75) S. Th. II, 3. S. 50 f. 200 ff.

76) Cicero in Pison. init. p. 334 Or. Hic (Pisonis avus) quum ad Padum Placentiae forte consedisset, paucis post annis in eam civitatem (nam tum erat civitas) adscendit. S. Madvig p. 218.

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