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und Völkercomplexen angehören, auf eine einzelne Periode nnd ein einzelnes Volk zurückführen zu wollen. Das Ritterthum war überhaupt seinem innern Wesen nach etwas so Complicirtes, dass man gewiss behaupten darf, jedes der verschiedenen Völker des Mittelalters habe, seinem eigenthümlichen Geiste gemäss, scinen Beitrag dazu geliefert. Dass auch die spanischen Araber Antheil daran haben, ist ausser Zweifel, und wenn man die Gewohnheiten und die Lebensweise dieses Volks betrachtet, so kann man nicht umbin, anzunehmen, dass die europäischen Nationen, und zwar zunächst die Spanier, den ritterlichen Sinn und die feinere Rittersitte von den spanischen Moslemen gelernt haben. Diesen Sinn und diese Sitte, welche genau mit seinem angeborenen Schönheitsgefühl zusammenhingen, besass der Araber schon in der Wüste, und bildete sie später namentlich auf europäischem Boden weiter aus. Die Beispiele arabischer Hochherzigkeit, Grossmuth und Menschlichkeit, von welchen die Geschichte der moslemischen Herrschaft in Spanien voll ist, waren für die Christen, wenn sie ihnen auch nur eine widerwillige Anerkennung zollten, nicht verloren, und bewirkten allmählig und ihnen selber unbewusst eine Umwandelung der wilden, ja ungeschlachten Gewohnheiten, die theils der germanischen Natur noch von den Wäldern des Heimathlandes her anklebten, theils durch Noth und Verzweiflung in den Gebirgen Asturiens erzeugt waren. Während der allerdings seltenen und kurzen Perioden, wo die Waffen auf der Halbinsel ruheten, machte das Bedürfniss arabischer Kunsterzeugnisse einen friedlichen Verkehr mit den Bekennern des Islam nöthig; auch verweilten nicht selten Flüchtlinge aus den christlichen Ländern in den andalusischen Hauptstädten, so wie um, gekehrt arabische am Hofe von Leon; alles Umstände, wodurch dem Einflusse arabischer Gesittung der Zugang eröffnet wurde.

Wenn nun gleich durch dieselbe Vermittelung schon in dieser Periode auch Manches von arabischer Kunst und Wissenschaft seinen Weg zu den nördlichen Staaten fand, so gingen diese Anregungen doch einstweilen noch verloren. Für Beides war weder Zeit noch Empfänglichkeit vorhanden. Die Geschichte arbeitete an der Bildung des spanischen Characters; den Geist der Nation zu bereichern, war den folgenden Jahrhunderten vorbehalten.

Mit der Mitte des elften Jahrhunderts beginnt das eigentliche Werk der Wiedereroberung des arabischen Gebiets durch die christlichen Staaten, eine Periode von etwas über 150

Jahren, welche die Spanier bezeichnend die Wiederherstellung Spaniens (la restauracion de España) nennen, weil es sich nicht bloss um den Wiederbesitz des Landes, sondern auch um die allmählige Zurückführung der arabisirten christlichen Bevölkerung desselben zu abendländischer Sitte, Tracht und Sprache handelte. Es ist dies die Heroenzeit der spanischen Nation und die Blüthenperiode ihres Ritterthums, als dessen Repräsentant der Cid Ruy Diaz el Campeador erscheint; eine schwere Zeit allerdings, wo die spanischen Ritter stets dicht neben ihren Pferden schliefen, weil sie jeden Augenblick des Signals zum Aufbruch gewärtig sein mussten, aber auch eine Zeit freudigen Muthes, weil der Kampf jetzt von Jahr zu Jahr mit sichtbarerem Erfolge gekrönt wurde. In dieser Periode erhielt die Bildung des nationalen Geistes und Characters ihre Vollendung. In dem Maasse wie das arabische Spanien wieder in die Hände der rein christlichen Bevölkerung fiel, fand zwischen dieser und den arabisirten Christen von Andalos eine Verschmelzung in Sitte, Sprache und Anschauungsweise Statt, durch welche die Völker der Halbinsel erst zu dem wurden, was wir die spanische Nation nennen können; ein Process, der mit den ersten Jahrzehenden des 13. Jahrhunderts als vollendet erscheint, und dessen Vollendung naturgemäss mit den Anfängen der Litteratur zusammenfällt.

Endlich trat auch in dieser Periode die Stammes verschiedenheit der spanischen Bevölkerung dadurch in die Erscheinung, dass die Sprache sich in verschiedene Dialecte trennte. Unter ihnen ragen drei Hauptmundarten besonders hervor, und mit einigen Worten über diese wollen wir unsere Einleitung schliessen. Als der Hauptstaat Spaniens erscheint schon am Ende dieser Periode das Königreich Castilien, dessen ersten Kern die kleinen Königreiche Asturien, Leon und die Grafschaft Castilien gebildet hatten. In diesen hatte sich das Romanische der Gothen im mündlichen Verkehr langsam weiter gebildet. Noch heutiges Tages sprechen die Bewohner Asturiens einen vom Castilianischen namentlich durch den fast gänzlichen Mangel arabischer Elemente verschiedenen Dialekt, den sie lenguage Bable nennen und der sogar seit dem 17. Jahrhundert eine beachtenswerthe poetische Litteratur besitzt; diese Mundart aber wird von den neuesten Forschern, und gewiss mit vollem Rechte, als die Mutter des Castilianischen betrachtet. Ihre Vollendung erhielt die letztere nun eben in der Periode der Wiedereroberung Spaniens durch die arabische Zuthat, welche die Verschmelzung der Leonesen und Castilianer mit den Mozarabern zur unumgänglichen Folge hatte. Die Einwirkung

des Arabischen beschränkte sich jedoch auf eine allerdings sehr bedeutende Bereicherung des castilianischen Wörterschatzes durch eine grosse Anzahl arabischer Wörter, welche dem romanischen Idiom assimilirt wurden. Dieser Vorgang erscheint als ein durchaus naturgemässer, wenn wir bedenken, wie viele neue Begriffe mit der Besetzung des bisher arabischen Landestheils sich den Castilianern darboten, wofür ihnen theils die Bezeichnungen ganz fehlten, theils als unvollkommen oder unbestimmt befunden und deshalb im gewöhnlichen Verkehr durch die den Mozarabern seit Jahrhunderten geläufigen leicht verdrängt werden mussten. Eben so natürlich war es indessen, dass die arabische Einwirkung auf das Castilianische hierbei stehen blieb. Eine Veränderung des grammatischen Baues, der Formwandlung oder Satzbildung des Romanischen durch das Arabische war bei der grossen Verschiedenheit beider Sprachen unmöglich und pflegt überhaupt auch nur da einzutreten, wo eine Verschmelzung zweier Völker Statt findet; ein Beweis mehr für das, was wir oben von der Art und Weise des arabischen Einflusses auf die spanische Nationalität gesagt haben. Das Castilianische ist daher seinem ganzen inneren Wesen nach eine ächte Tochter der lateinischen Mutter geblieben. Ihre Ausbildung war in der Hauptsache bereits im ersten Jahrzehend des 13. Jahrhunderts vollendet, und ihre Herrschaft erstreckte sich so weit, wie die des Volksstammes, welchem sie angehörte, d. h. von der Nordküste Spaniens durch ganz Mittelspanien bis an die Gränzen der damals noch bestehenden kleinen arabischen Gebiete.

In der nordwestlichen Ecke der Halbinsel, in der zum Königreich Leon gehörenden Grafschaft Galicien, hatte sich ein eigener Dialekt gebildet, dessen Anfänge unzweifelhaft bis in die Zeiten vor der arabischen Herrschaft hinaufreichen. Jene Gegend war zur Westgothenzeit der Hauptsitz des suevischen Stammes gewesen, und es ist wohl keine zu kühne Hypothese, wenn man dem Einflusse dieses Elementes die Enstehung der galicischen Mundart zuschreibt. Mit den Eroberungen breitete sich auch diese nach Süden aus und wurde so die Mutter des heutigen Portugiesischen.

Den östlichen Theil der Halbinsel nahm das Königreich Aragonien ein. Seinen Kern bildeten die Eroberungen, welche Karl der Grosse gemacht hatte und unter dem Namen der spanischen Mark von eigenen Grafen verwalten liess, die sich unter seinen schwachen Nachfolgern bald unabhängig machten. Hier war von Anfang an der fränkische Volks

stamm überwiegend gewesen und hatte den Sitten sowohl wie der Sprache sein Gepräge aufgedrückt. Die Sprache des Landes, das Catalanische, war gewissermassen nur ein Dialekt des Provençalischen und wurde ganz in die Bildung des letzteren hineingezogen, als im Anfange des 12. Jahrhunderts die Krone der Provençe auf die Grafen von Barcelona überging und diese im Jahre 1137 auch das Königreich Aragonien erwarben.

So bestanden in Spanien drei Hauptdialekte, und es war eine Zeitlang zweifelhaft, welcher von den dreien das Organ nationaler Gedanken und Gefühle werden sollte. Am Hofe der aragonischen Könige blühete provençalische Poesie und hielt das Aufkommen nationaler Gestaltungen danieder. Das Galicische ging mit der Entstehung des Königreichs Portugal in ein von Spanien politisch getrenntes Land über. Die castilianische Litteratur aber entwickelte sich, wenn auch etwas später als jene, so doch von Anfang an in so durchaus volksthümlicher, nationaler Weise, dass sie beide Nebenbuhlerinnen bald in den Hintergrund drängte. Dass sie der echte und wahre Ausdruck des Nationalgefühls war, wurde sehr bald offenbar und durch die ganze Halbinsel empfunden, und mit Stolz hört jeder unbefangene Spanier noch heut nicht nur seine Sprache sondern auch seine Litteratur die castilianische nennen.

Die Litteratur beginnt in Spanien, wie überall, mit der Poesie, und wir werden im zweiten Theile dieses Handbuches sehen, wie weit die Anfänge derselben hinaufreichen. Im gegenwärtigen Bande, welcher nur der Prosa gewidmet ist, haben wir mit der Zeit zu beginnen, wo die Sprache zuerst als Schriftsprache erscheint.

Das älteste schriftliche Denkmal der castilianischen Sprache, welches sich überhaupt bis jetzt hat auffinden lassen, ist der Freibrief (fuero) der Stadt Oviedo vom Jahre 1145. Vor diesem erst in den letzten Jahren entdeckten Documente galt für das älteste eine Urkunde, welche die Bestätigung der Privilegien der Stadt Aviles in Asturien durch König Alfons VII. enthält und vom Jahre 1155 datirt ist. Diese letztere, welche vollständig in der Revista de Madrid, 2a Epoca, VII, 267—322 gedruckt ist, zeigt die castilianische Sprache noch ganz befangen in lateinischen oder halb lateinischen Formen, dagegen aber ganz frei von arabischer Zuthat, so dass wir aus diesem Do

cumente den besten Schluss auf die Gestalt der Sprache vor der Mischung mit der arabischen machen können. Der Gebrauch des Castilianischen in ähnlichen öffentlichen Urkunden wird von dieser Zeit an zwar häufiger, dennoch aber verflossen noch volle hundert Jahre, ehe die Sprache so weit vervollkommnet war, um für die künstlerische Prosa brauchbar zu sein. Das Verdienst dies zuerst erkannt und dem Gebrauche die Bahn gebrochen zu haben, gebührt dem Manne, von welchem der folgende Artikel handelt.

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