Bay von Süden (S. 102) ist von dem Verf. selbst aufgenommen, die andere (S. 80) ist nach Capitän Smyth. Am interessantesten ist das Titelkupfer: das Schiff des Paulus unmittelbar vor seinem Untergang, fünstlerisch ausgeführt von dem Ma= rinemaler Smartly von St. Heliers, aber inso= fern kein Phantasiestück, als jede Einzelheit auf Local- und Alterthumsforschung beruht. Unter den Karten ist ein Theil der Südküste von Kreta (S. 56) nach der französischen Admiralitätskarte der östlichen Theile des Mittelmeers, die Specialkarte der Paulsbucht (S. 88) ist nach der großen Karte von Malta von Cap. Smyth. Unter den Holz= schnitten, die sich auf das Seewesen der Alten be= ziehen, ist das Schiff S. 168 am interessantesten, welches der Verf. selbst nach einem pompejanischen Relief copirt hat.
Das Werk gibt zuvörderst einen sachlichen Commentar zum 27. und 28. Kapitel der Apostelge= schichte oder vielmehr eine vervollständigte Nacherzählung der Seeabenteuer des Paulus mit sach= fundigen Betrachtungen über die jedesmalige Lage des Schiffes, in fünf Abschnitten (S. 19 ff.) „von Cäsarea nach Myra; von Myra nach Kaloilime= nes; von Kreta nach Melite; der Schiffbruch; von Melite nach Puteoli." Den zweiten Hauptbestand= theil bildet die Abhandlung über die Schiffe der Alten S. 140 ff., den dritten die Untersuchung über die Quellen des Lucas S. 203 ff., womit der Abschnitt S. 1-18 über das Leben und die Schrif= ten des Lucas zu verbinden ist. Ueber den zwei= ten dieser drei Theile werden wir unsere Bemer= fungen am fürzesten fassen, da dieser bereits in einer deutschen Bearbeitung vorliegt *).
*) Ueber den Schiffbau und die nautischen Leistungen der Griechen und Römer im Alterthum. Von James
Die widrigen Winde, mit denen das Schiff gleich bei der Abfahrt von Sidon zu thun hatte, Act. 27, 4, find die Westwinde, welche laut den Beobachtungen der Neueren in diesem Theil des Mit= telmeers während des Sommers herrschen. Mit derselben Schwierigkeit hatte 1798 in dem Seekrieg mit der französischen Republik der brittische Admi= ral Saumarh zu kämpfen. Der Ausweg, welcher nach dem Berichte der Apostelgeschichte eingeschla= gen wurde, entspricht ganz dem, was die kundig= sten. Seefahrer unserer Zeit in dieser Lage thun würden. Man ließ Cyprus zur Linken, um un= ter dem Schuß seiner Berge weniger von dem Beftrins au leiden (ὑπεπλεύσαμεν τὴν Κύπρον), und steuerte nach der cilicischen und pamphylischen Küste, um in deren Nähe nach Westen hin vor= wärts zu kommen. Hiezu war aus einem doppel= ten Grunde Aussicht vorhanden. Einmal weil der Landwind von Kleinafien her den Westwind mä= Bigte, dann weil längs dieser Küste eine starke Meeresftrömung nach Westen geht, die sich zwischen dem Festland und Rhodos hinzieht. Nachdem die Reisenden im Hafen von Myra das alexandrinische Schiff bestiegen hatten, welches Weizen nach Rom führte, stieß die Fahrt bei Knidos, wo jene bis dabin günstigen Umstände aufhörten, auf neue Schwierigkeiten. Ihnen zu entgehen ward die Rich= ' tung nach der Südküste von Kreta, vorüber an dem Cap Salmone, eingeschlagen. Dies war das einzig Mögliche bei den Winden, welche gegen Ende des Sommers eintreten, den Etesien oder Nordweststürmen (eine Mischung aus Nordwind und Zephyros nach Aristoteles), welche nach Plinius vierzig Tage währen. Der äußerste Punkt, der Smith. Aus dem Englischen übertragen von Dr. H. Thiersch. Marburg Elwert 1851.
unter diesen Umständen erreicht werden konnte, war Cap Matala, der südliche Vorsprung von Kreta, in dessen Nähe die nadol huéves (V. 8) von Pococke und Pashley wirklich nachgewiesen find. Eine ganz ähnliche Irrfahrt war es, welche im sechzehnten Jahrhundert ein deutscher Arzt Leon= hard Rauwolf gemacht und in seiner „Raiß in die Morgenländer, Augsb. 1582′′ beschrieben hat. Der Berf. zieht die Parallele mit dem Seefahrtsbe= richt des antiochenischen Arztes Lucas und findet hiebei dessen Darstellung weit correcter und zugleich das damalige Verfahren der Seeleute weit funst- gerechter und verständiger (S. 37 — 39).
Zum Behuf der Ueberwinterung wollten der Steuermann und der Schiffsherr den Hafen Phö- nir erreichen. Ihn findet der Verf. in Lutro, an dem Punkte von Candia gelegen, o die Insel am schmalsten ist. Jezt ist er versandet, 1738 war er noch ein Ankerplaß. Eine kleine Insel liegt davor und die beiden Ausgänge des, Hafens sehen nach Nordost und Südost. Genau stimmt hiermit die Mugabe: λιμένα – βλέποντα κατὰ Λίβα καὶ narà Xaoov B. 12, d. h. der Hafen eröffnet die Aussicht nach derselben Richtung, nach welcher diese beiden Winde wehen, S. 47. Auf der Fahrt nach diesem Punkte, den sie bei dem eingetretenen Süd- wind zu erreichen hoffen durften, ergriff die See= fahrer plöglich ein thphonischer Wind" Euroaquilo mit Namen, V. 14. Ueberzeugend wird hier von dem Verf. dargethan, daß evgɑnvλwv die richtige Lesart ist, nicht evooxλúdov. Zur Bestätigung dienen die im Anhang gegebenen Auszüge aus Bentley und Granville Penn (S. 287 ff.). Die Benennung ist, wie man sieht, eher römisch, als griechisch, sie ist bezeichnend für den Ost-Nord-Ost. Dieser war es, welcher die Seefahrer wirklich in
die afrikanische Syrtis treiben mußte, wie sie mit ganz richtiger Beurtheilung ihrer Lage fürchteten (2.17). Man vgl. S. 56 ff. und die Karte dazu. An der Insel Clauda, jezt Gozzo, vorbeikommend, benußten sie die Möglichkeit das Schiff zu unter- gürten" (V. 17) - ein Verfahren, welches, allen Früheren unverständlich, von dem Verf. zum er- stenmal in das rechte Licht gestellt wird. Die Hy- pozomata find nicht Holzgeräthe, wie man vordem meinte, sondern Taue, was Böch aus den atti= schen Tafeln vollständig dargethan hat. Aber darin befindet sich Böckh noch im Irrthum, daß er meint, sie wurden längs dem Kiele angelegt*). Sie wur- den vielmehr unter dem Schiffsbauch durchgezogen, um den gebrechlich gewordenen Bau zusammenzu= halten. Der Verf. weist die allerdings seltenen Fälle nach, wo diese Maßregel auch in neuerer Zeit angewendet worden. Die Darstellung auf dem Titelkupfer gründet sich auf die Angaben eines Seeofficiers, der die Sache als Augenzeuge beschrei= ben konnte S. 62-67 und 172-177. Aus die sem Unternehmen der Seeleute geht ein Umstand hervor, der von Lucas verschwiegen wird, aber we sentlich zum Verständniß des Folgenden beiträgt: das Fahrzeug war, was häufig die Folge plögli cher Windausbrüche ist, am Kiel beschädigt und led geworden. Um die Wirkung des Sturms ju mäßigen, wurde alles Tafelwerk herabgenommen, χαλάσαντες τὸ σκεῦος οὕτως ἐφερόμεθα 23. 17. Hier ist jedoch nothwendig hinzuzudenken, daß Sturm- segel aufgezogen wurden, sonst hätie man das Schiff einem sicheren Untergang überlassen, so aber konnte man seinen Lauf noch in etwas modificiren, um wenigstens der Shitis zu entfliehen. Die
*) Böckh, Urkunden über das Seewesen des attischen Staates, Berlin 1840. S. 134.
Borte S. 19 αυτόχειρες τὴν σκευὴν τοῦ πλοίου zóдívaμev beziehen sich vor allem auf den Haupt- mast um ihn über Bord zu werfen, mußten bei seiner kolossalen Größe alle mit Hand anlegen. Dem Fahrzeug wurde dadurch eine eben so große Erleichterung, wie wenn auf einem modernen Schiffe die Kanonen über Bord geworfen werden S. 74. Dennoch war die Lage hoffnungslos (V. 20). Es war nicht möglich, für die Dauer das eindrin= gende Wasser zu hemmen; das Schiff auf den Strand laufen zu lassen, die einzige Hülfe für ein finkendes Fahrzeug, erforderte eine höchst geeignete Küste, welche zu erreichen gar keine Aussicht gege= ben war. Die ungeheuren Anstrengungen, welche Alle machen mußten, um das Sinken so lange als möglich zu verhüten, und der Umstand, daß wahr= scheinlich der größte Theil der Beträthe verdorben war, dienen zur Erklärung von B. 21 und 31.
Nimmt man an, daß die Seeleute Alles aufbo= ten, was Kunst und Energie vermochten, um den Lauf des Schiffs von der afrikanischen Küste ab- zulenken, so ergibt sich als das Aeußerste, was bei heftigem Osinordost erreichbar war, eine Linie, welche von der Insel Clauda mit mathematischer Genauig= feit zur St. Pauls-Bah auf Malta hinführt, S. 86. 87. Dreizehn Tage ward das Schiff in die- ser Richtung vorwärts getrieben (V. 27). Nach der mittleren Schäzung der Sachverständigen ist eine Geschwindigkeit von 36 Seemeile in 24 Stun= den vorauszusehen, also in 13 Tagen eine Fahrt von etwa 468 Seemeilen. Wirklich beträgt die Entfernung zwischen Gozzo und Malta 476.6 See- meilen eine Lebereinstimmung, welche der Verf. mit Recht frappant nennt und als einen glänzen= den Beweis für die Genauigkeit und Glaubwür- digkeit des Reiseberichtes ansieht S. 85—87.
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