chens, und jene Vernachläßigung ernsterer Dinge, welche die Quelle ihres spätern Unheils wird. Besonders ist das Aufstellen des Spiegels aufs Gebetbuch charakteristisch. Eben so gelungen ist die Weise, in welcher sie darauf den Warnungen der Mutter, die sie im frommen Glauben erinnert, sich ja zur Nachtzeit nicht in den Spiegel zu sehen, keinen Glauben schenkt. Einzelne Züge solcher Art sind am besten dazu geeignet, uns über die eigent liche Beschaffenheit des Charakters Aufschluß zu geben. In den darauf folgenden Scenen, besonders der dritten, in welcher Ella zwischen Pflicht und Eitelkeit schwankt, und die lehtere die Oberhand erhält, sind sie häufig anzutreffen. Das Getändel der Liebenden im zweyten Akt und die Art, wie dabey Wilhelm zur Locke kömmt, ist artig und wirkungsreich. In der achten Scene hat der Dichter mit einzelnen glücklichen Strichen hin und wieder Bedeutendes erreicht. Die Einwirkung des Goldes, welches Ehrenberg bringt, auf Ellas Gemüth im dritten Aft, ihr Benehmen bevor der Kornet erscheint, ihr Einfall, zwölf weiß gekleidete mit Blumen geschmückte Mädchen mit Lauten, Lorbeern und Blumenkränzen vor Augen alles Volks den heimkehrenden Kriegern entgegen zu schicken, alles charakterisirt vortrefflich das eitle, gefallsüchtige Mädchen, welches immer die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen bemüht ist. Wie fein ist die dritte Scene zwischen Ella und der Marketenderin, in welcher Ella der Rückkunft ihres Geliebten harrend, nicht unmittelbar nach ihm zu fragen wagt, sondern sich nur allmälich der Hauptsache nähert. Sie beurkundet den tiefen Kenner des menschlichen Herzens, gleich den folgenden zwischen Ella und Silberström. Daß sie leßterm nicht ihren Namen wissen läßt, ist wahr und tief. Eine unerklärbare, aber in ihrer Lage begreifliche Scheu vor möglichem Unglück, die sie sich kaum selbst gestehen will, hält sie zurück. Der Tod Margreths erscheint wohl etwas rasch, aber er ist doch nicht ohne Motiv, und gibt uns Gelegenheit, über Ellas Charakter einen wichtigen Aufschluß zu erhalten; daß sie nämlich gleich, als sie unvorbereitet den Tod der Mutter erfährt, erstarrt, und rasch ins Zimmer will, aber damit vertraut, nur Sinu für den Verlust des Geliebten hat, ist wieder der Natur abgelauscht. Die Gutmüthigkeit und der Hang zu irdischer Lust, welche beyde in Ella's Gemüth herrschen, werden auf eine anschauliche Weise dargestellt. In Rücksicht der Organisation des Ganzen muß der verständigen Anlage und des kunstgerechten Verhältnisses der Scenen unter einander mit der vollsten Anerkennung gedacht werden. Besonders zu loben ist der rasche und lebendige Wechsel, und die Verschiedenheit der Begebenheiten, welche doch alle so mit einan der verbunden sind, daß eine die andere vorbereitet und unterstüßt, und keine der Scenen von den übrigen losgetrennt erscheint, sondern daß jede nur (und dieß gilt selbst von den kleinern) durch den Zusammenhang ihre eigentliche Bedeutung erhält. Nur mit dem Schlusse des Stücks können wir nicht ein verstanden seyn. Das Stück endet eigentlich mit der fünften Scene des letzten Akts, und weil in den darauf folgenden vier (worunter die Schlußscene von größerem Umfange ist) nichts neues, nicht einmal der Begebenheit nach, geschieht, erscheinen diese überflüssig und störend. Da sie gerade dort, wo wir Raschheit und einen schnellern Gang verlangen, der beendeten Handlung gleichsam nachschleppen, ermüden sie um so mehr. Ella wird durch die Erscheinung des Geliebten, welche sie im Frevel gewünscht hat, für diesen Frevel und für das Tadeln der Vorfehung gezüchtigt. Mit der Strafe, die sie trifft, erkennen wir die Unverlegbarkeit der Lehre: »Hadre nicht mit Gott,« dieß soll Ella zuletzt gleichfalls erkennen, und an der Gewalt der Erscheinung sterben. Nun aber kommen nach dieser erschütternden Scene, gleichsam der Spiße des Stücks, Eule und Berndt zusammen, wodurch wir nur die uns bereits bekannte Entführung Ellas durch die Erscheinung, und Elisabeths Heirath mit Silberström erfahren, die in dieser Lage Niemand interessirt; wenn denn aber der Dichter uns mit dem Schicksal aller auf die Haupthandlung Bezug habenden Personen vertraut machen wollte, von ihm früher hätte bemerkt werden können. Noch weniger ist die verlängernde Veränderung der Dekoration zu billigen, nach welcher in der siebenten Scene der Gärtner mit seinem Sohne ein nicht zur Sache gehöriges Zweygespräch führt. Das lehte Auftreten Ellas ist von weit geringerer Wirkung, als ihre frühere Entführung durch den Geist; wir wissen bereits ihr Schicksal, und können höchstens den Eindruck, welchen jenes Ereigniß auf uns gemacht hat, mit der Verwunderung über den Umstand vertauschen, daß Ella auf einmal aus den Händen des Geistes los, und auf diesen Plaz gekommen ist. Ihre Erzählung von dem, was mit ihr vorging, wie poetisch sie auch ist, wirkt nicht stark auf uns, weil jede Erzählung am Schlusse eines dramatischen Werkes, wo wir die Entwicklung in Vorgängen schauen wollen, störend wirkt. Die Todesart Ellas ist nicht deutlich genug ausgedrückt, man begreift nicht recht, wie sie aus den Armen des Geistes sich befreyte, warum dieser, wenn er sie wieder zurückbringen wollte, sie eigentlich mit sich fortgenommen habe, warum er sie gerade hierher bringt, wie sie all die Schrecken, welche sie erzählt, habe überleben können, warum sie erst jezt nach der Erzählung der Schreckuisse, und nicht als dieselben sich mit ihr zutrugen, stirbt, und was die eigentliche Ursache ihres Todes sey. In der Bürgerschen Ballade bringt sie der Geist vom Hause weg zu seinem Grabe, dort wird sie mit ihm auf die schreckliche Weise vereint, die sie früher im tollen Frevel selbst begehrte; das ist be greiflich und zusammenhängend. Wollte der Dichter seinem Trauerspiele jenes Ende nicht geben, oder fand er, daß es sich mit den Gefeßen, die er zu befolgen hatte, nicht vertragen hätte, so mußte er dem Stücke mindestens einen befriedigenden, verständlichen Ausgang verleihen, und das leztere um so mehr, da er es als Volkstrauerspiel auf allgemeinere Theilnahme berechnet hat. Was die Diktion betrifft, so ist sie im Ganzen so musterhaft, wie wir es vom Verfasser gewohnt sind; dessen ungeachtet dürfte folgende Bemerkung einige Berücksichtigung verdienen. Das Stück ist abwechselnd in Bersen und in Prosa geschrieben. Dagegen ist nun im Allgemeinen nichts einzuwenden. Obschon die Einheit der Form bey jedem Kunstwerke wünschenswerth und räthlich ist, so ist doch unter gewissen Bedingungen hier auch eine Verschiedenartigkeit zu billigen. Der Erfolg hat zuweilen das Günstige ihrer Anwendung gezeigt Allein der Dichter darf hier nicht willkürlich verfahren, die Anwendung von Vers und Prosa steht ihm nicht frey, er wird durch die Beschaffenheit des Stoffes dazu gleichsam genöthigt. Er muß dabey nicht nur allein auf Gedanken und Empfindungen, welche ausgedrückt werden, sondern auch auf die Personen, welche sie ausdrücken, und auf die Verhältnisse, unter denen es geschieht, Rücksicht nehmen. Eben in dieser verständigen Wahl erkennen und schäßen wir die Umsicht des Dichters, der für den herrlichen Geist immer den entsprechendsten Körper zu finden weiß; sonst hing' es immer vom Willen des Dichters ab, ob er sein Stück in Versen oder in Prosa schrei ben wolle, was keineswegs der Fall ist. Nicht einmal die Versart, in welcher der Dichter schreibt, ist ihm jedes Mal freygegeben. Eine von den vielen muß immer die passendste seyn, und diese herauszufinden ist eine Aufgabe, deren richtige Lösung vom Dichter mit Recht gefordert werden kann. Je feiner, je genauer, je inniger nun diese Verbindung des Inhaltes mit der Form erscheint, um desto vorzüglicher muß sie genannt werden, und hier hat, unserer Meinung nach, der Verfasser des Trauerspiels nicht ganz genau die erwähnten Rücksichten im Auge gehabt. Der Anfang des Stücks bis zur vierten Scene des ersten Akts ist in Prosa geschrieben, diese Scene und alle darauf folgenden bis zur vierten des zweyten Akts sind in Versen, bald gereimt, bald reimlos, von da tritt wieder, zwey kleine Scenen ausgenommen, bis zur Schlußscene des dritten Akts, die Prosa ein, worauf bis zu dem Ende des Stücks Vers und Prosa durch einander wechseln. Nun erscheint schon die frühere Abtheilung beyder Formen, wenn nicht ganz unstatthaft, doch zu gewagt, denn sie sind zu auffallend streng durch eine längere gleichmäßige Dauer von einander geschieden, und die Uebergänge verschmelzen sich zu wenig. Aber es läßt sich sogar hin und wieder ein Mißverhältniß der Form zu dem Inhalte nachweisen. Warum spricht zum Beyspiel der alte Gebhard, der bedächtige Kaufherr und Rathsmann in Versen, und im Anfange noch dazu mit seinem Diener? warum ertheilt er ihm in Versen den Auftrag, das Thor zu schließen, da doch der Dichter bey bedeutendern Gelegenheiten die Prosa anwendet? Weder der Stand des Mannes, noch die Gedanken welche er in der Scene mit seinem Sohne ausspricht, begehren die Macht und den Glanz des Verses. Alles aber, was eben so gut in Prosa gesagt werden kann, soll in ihr gesagt wer< den, denn der Vers ist in der Poesie mehr, als ein bloßes Ziermittel. Der Verfasser ist so sehr Herr des Styls, daß nicht zu besorgen stand, die Bedeutenheit der Scene wäre durch ihre Anwendung geschwächt worden. Warum braucht der Verfasser den Vers nicht immer so richtig und mit solcher Wirkung, wie in den Scenen, in welchen Ella auftritt? Hier ist genau durch die Form der Seelenzustand unterschieden. Sie spricht mit ihrer Mutter und Rachel in Profa, weil dort die Gedanken und Empfindungen, welche sie aussagt, das Gewöhnliche nicht überschreiten; wie sich aber jene erheben, diese inniger und tiefer werden, werden sie im ungewöhnlichen Körper des Verses ausgedrückt, welchen zuweilen mit vieler Kenntniß der Reim beygegeben ist. Als ausgezeichnet erscheinen in dieser Art hauptsächlich Ellas Monologe, welche überhaupt ihrer Natur nach die Behandlung in gebundener Rede wohl vertragen. Wir führen besonders die fünfte Scene des ersten Akts, die zehnte Scene des dritten Akts, die fünfte, zehnte und eilfte Scene des vierten, die erste und die Schlußscene des fünften Akts an, welche lettere, obschon sie nicht zum Ganzen mehr erforderlich ist, doch für sich betrachtet viel poetische Schönheiten hat. Als Probe der Behandlung möge die kürzeste der angege= benen Scenen, die eilfte des vierten Akts, erscheinen. Sie folgt jener, in welcher Ella, welche bereits den Tod des Geliebten erfahren hat, durch ihre frevelnden Aeußerungen die Mutter forttreibt: Ich war so schuldlos, war so still und rein; Und dennoch, dennoch wandl' ich über Leichen; Die Wunde wird im Busen ewig brennen Und — Hohn und Spott die ew'ge Braut mich nennen! (Ift ohne es zu wissen vor einen Spiegel gekommen, und gewahrt die mit Edelsteinen durchwundene Brautkrone, welche sie im hochaufgeflochtenen Haare trägt.) Was willst noch du in diesen schwarzen Ningen, Nie! Hin ist hin! Nichts kann ihn wieder bringen! Verdorre Kranz! verdorrt ihr Myrten alle, Daß keine Braut zum Traualtar mehr walle. (Sie hat den Kranz abgerissen, zerpflückt ihn, und wirft ihn zu Boden.) Dieser Monolog ist außerdem auch noch in psychologischer Hinsicht ausgezeichnet. Alle Bestandtheile von Ellas Charakter werDen darin wahrgenommen, und ihre Verbindung zu einem Ganzen wird wahrscheinlich und deutlich gemacht. Ella ist nicht böser Art, aber immer so sehr von ihrer Vortrefflichkeit überzeugt, daß fie jede ihrer, auch nicht zu billigenden, Handlungen zu entschuldigen weiß. Immer ist sie geneigt sich selbst zu täuschen, und prunkt dabey mit ihrer Schuldlosigkeit und Herzensgüte. Mitten im heftigsten Schmerz wird sie von ihrer Erbsünde, der Eitelkeit, überrascht, sie ist überzeugt, »feltne Reize« zu besißen, fie preist die Farbe ihres Haars, und es fällt ihr, aller Heftigkeit der Empfindung ungeachtet, ein, daß selbst der Neid und die Abgunst sie Seide preisen mußten. Sie erkennt die Kränkung nicht, welche Joseph durch sie erfahren hat, und hält die Erfüllungen der Prophezeyungen Rachels für Pfänder einer höhern Macht. Die Qualen, welche sie über Wilhelms Verlust durchtoben, lassen sie immer noch an den Spott und Hohn der Nachbarn denken, und an das Empfindliche des Beynamens der »ew' gen Braut.« Da ihr das Vertrauen an die Güte und der Glaube an die Weisheit und Gerechtigkeit der Vorsehung fehlen, so bemächtigt sich wilde Verzweiflung ihrer Seele, fie erblickt in Wilhelms Tode nichts als die Grausamkeit des Himmels, welcher ihr den Geliebten entriß, und indem sie gewaltsam_die Brautfrone zerstört und zu Boden wirft, erkennen wir den unbändigen Aufruhr, der in ihrem Innern vorgeht. Wenn wir das Gesagte zusammenfassen, so finden wir, daß das Volkstrauerspiel schön Ella zwar nicht alle jene höheren Anforderungen, die man an das Trauerspiel überhaupt stellen muß, befriedige und erfülle, daß der Dichter durch ein zu |